Palast der Sinne: Erotischer Roman (German Edition)
e schoss erklomm. Henry war also ebenfalls auf dem Weg nach oben. Sie setzte hektische Schritte, stolperte, fiel auf die Knie. Ein Schuh rutschte ihr aus der Hand und kollerte die Treppe hinunter. Vivien rannte hinterher. Kurz vor dem Ende blieb er liegen. Sie hob ihn auf, sah Henrys Schatten und rannte geduckt los.
„Vivien! Bist du da?“
Hatte er sie gesehen? Sie wagte sich nicht umzublicken, lief mit dem Teufel um die Wette. Keuchend erreichte sie das Oberg e schoss und stürzte ins Schlafzimmer. Sie stopfte den Mantel unter das Ki s sen und stellte die Schuhe ans Bett. Dann sprang sie hinein und zog die Decke hoch.
Ihr Atem ging heftig. Zu heftig. Sie zwang sich zu langen Z ü gen, um ihn schnell zu beruhigen. Als Henry das Schlafzimmer betrat, keuchte sie immer noch.
„Vivien?“
Sie fuhr hoch und schrie auf.
„Entschuldige“, sagte Henry mit entgeistertem Blick, „ich wollte dir keine Furcht einjagen.“ Er ging auf sie zu und setzte sich an die Bet t kante.
„Du hast mich zu Tode erschreckt“, rechtfertigte sie ihr heftiges Atmen.
„Das tut mir leid. Aber ich war in Sorge.“
Er hatte den Köder offenbar geschluckt. Gott sei Dank. „Wieso hast du dich gesorgt? Ich war doch nur mal kurz auf der Toilette.“ Sie mühte sich, ein wenig vorwurfsvoll zu kli n gen. Angriff war die beste Verteidigung.
„Ich dachte, du wärst … gegangen.“
„Ohne ein Wort zu sagen? Denkst du, ich bin so eine?“
Sein Blick wirkte verlegen. Folglich war ihr Gegenangriff gelu n gen. Sie nahm ihn in den Arm.
„Komm ins Bett, holen wir uns noch eine Mütze Schlaf.“
Er lächelte und kroch zu ihr unter die Decke. Sie kuschelten sich aneinander, und bald befand Henry sich wieder im Reich der Träume. Als seine Atemzüge lange und tief wurden, löste Vivien sich vorsic h tig von ihm und wich bis zur Bettkante. Mit Skepsis betrachtete sie ihn. Er war ein Mann voller Geheimni s se, wusste sie, hatte sie doch das eine oder andere ergründet. Doch jenes, das sie heute entdeckt hatte, mochte ihr im Gegensatz zu den and e ren ganz und gar nicht gefallen. An Schlaf war nun nicht mehr zu denken. In ihrem Kopf rasten Gedanken um die Wette. Sie suchte nach Antworten. D a bei kannte sie noch nicht einmal die richtigen Fragen. Das rätselhafte Verschwinden Sandrines war um eine Facette reicher g e worden.
19
Am Morgen spielte Vivien die Glückliche, und mühte sich beim Frühstück, ihre wahren Gefühle zu verbergen. Die ganze Nacht hatte sie sich mit Fragen gequält, aber keine Antworten gefu n den. Henry wirkte fröhlich und entspannt, während er seinen Kaffee in Verbi n dung mit der Morgenzeitung g e noss.
Um halb acht machte sie sich auf den Weg zur Arbeit. Henry ve r abschiedete sie mit einem so leidenschaftlichen Kuss, als wollte er sie gar nicht gehen lassen. Sie erwiderte ihn, doch es fiel ihr schwerer als gedacht. Henrys Gefühle waren offensichtlich echt. Seit der verga n genen Nacht jedoch hinterfra g te sie alles, was mit ihm zu tun hatte.
Der Vormittag im Handyshop verlief wie viele andere auch. Ein paar Kunden verirrten sich ins Geschäft, die zum Großteil Patrick in die Arme liefen. Kein Wunder, pirschte er sich an jeden aus dem Hinterhalt heran, ehe Vivien ihn überhaupt wahrnehmen konnte. Doch das störte sie nicht, im Gegenteil. Sie war immer noch mit G e dankenarbeit beschäftigt. Als die Uhr Mittag schlug, fasste sie einen Entschluss. Sie musste herausfinden, was Henry mit dem Verschwi n den von Sandrine zu tun hatte. Und da sie das nicht allein zu tun vermochte, brauc h te sie Unterstützung.
In der Mittagspause stieg sie ins Auto und fuhr zum Polizeir e vier. Sie parkte davor und schaute lange zur Tür. Dann stieg sie aus und läutete. Ein Uniformierter öffnete ein kleines Fen s ter neben der Tür.
„Ah, die Freundin von Monsieur Potarie.“
Sofort ging die Tür auf, und er bat sie freundlich hinein. Wie sich die Menschen ändern können, wenn sie hinter ihrem G e genüber einen Haufen Geld vermuten, dachte Vivien. Der Uniformierte füh r te sie in sein Büro und bot ihr den Stuhl gegenüber seinem Schrei b tisch an.
„Wie kann ich Ihnen helfen?“ Er ließ sich in seinen Drehstuhl si n ken und lehnte sich entspannt zurück.
„Es geht um eine junge Frau“, begann Vivien.
„Ihre Freundin, ich weiß.“
„Ja und nein.“ Vivien erntete einen fragenden Blick. „Lassen Sie es mich erklären. Die junge Frau, von der ich spreche, ist Studentin in Paris. Sie verdient
Weitere Kostenlose Bücher