Palast der sinnlichen Traeume
beachtliche Zahl.
Es herrschte die übliche Energie und Anspannung vor einem Spiel. Allerdings besaß die Begegnung mit Biryal nicht denselben Stellenwert wie die anderen Spiele der Nationalmannschaft. Nein, diesmal lag noch etwas anderes in der Luft. Und Lucy glaubte zu wissen, was es war.
Erinnerungen.
Fast ein Drittel der Mannschaft hatte vor vier Jahren mit Khaled gespielt, hatte seinen Sturz miterlebt. Hatte den Verrat seiner überraschenden Abreise empfunden.
Der Grund, weshalb Trainer Brian Abingdon diesem Spiel überhaupt zugestimmt hatte, lag wahrscheinlich in den vielen Toren und Punkten, die Khaled während seiner aktiven Zeit der Mannschaft verschafft hatte.
Kurz vor dem Anpfiff stand Lucy mit den anderen Betreuern am Spielfeldrand und versuchte, einen Blick auf Khaled zu erhaschen. Sie entdeckte ihn in der königlichen Loge in der Mitte der Tribüne. Wie schon zuvor wirkte er völlig verschlossen, seine Miene fast finster.
Das Spiel begann, ohne dass sie es wirklich mitbekam. Nur zögernd wandte sie den Blick dem Geschehen auf dem Feld zu. Nach wenigen Minuten gesellte sich ein Mann zu ihr. Aus den Augenwinkeln erkannte sie Yusef wieder.
„Das Stadion ist voll“, bemerkte sie, weil es sie erstaunte, dass so viele Biryalis gekommen waren.
„Das Spiel ist sehr wichtig für uns“, erwiderte der Diener mit einem zaghaften Lächeln. „Für Sie mag es nicht viel bedeuten, aber es ist eines unserer ersten Spiele. Unsere Mannschaft existiert erst seit zwei Jahren.“
„Wirklich?“ Das hatte Lucy nicht gewusst. Biryal war ein kleines Land, es gab keinen sinnvollen Grund, eine Rugbymannschaft aufzustellen.
Abgesehen von Khaled natürlich.
„Khaled hat alles organisiert“, erklärte Yusef. „Kurz nach seiner Rückkehr aus England hat er angefangen. Er konnte ja nicht mehr selbst spielen und hat so das Beste aus der Situation gemacht.“
„Er konnte nicht mehr spielen?“, wiederholte Lucy ein bisschen zu scharf.
Yusef warf ihr einen überraschten Blick zu. „Wegen seiner Verletzung.“
„Er hatte schon immer Probleme mit seinem Knie“, protestierte sie.
Doch Yusef schwieg. Auf seiner Miene erschien ein wachsamer Ausdruck. „Prinz Khaled ist auch für den Bau des Stadions verantwortlich. Er hat die besten Architekten mit den Plänen beauftragt, aber auch selbst beim Design geholfen.“
Lucy wusste, dass es keinen Sinn hatte, Yusef nach mehr Informationen über Khaleds Verletzung zu bitten. Trotzdem wirbelten unzählige Fragen in ihrem Kopf. Lächelnd versuchte sie, die angemessene Begeisterung in ihre Stimme zu legen. „Ganz offensichtlich ein ehrgeiziges Projekt, von dem Biryal bestimmt sehr profitiert.“
Yusef lachte kurz auf. „Nach Ihrem Verständnis sind wir ein armes Land“, stimmte er zu. „Und selbstverständlich ist diese Tatsache Prinz Khaled bewusst. Er versteht unseren nationalen Stolz. Deshalb hat er etwas für uns gebaut, das wir ohne Scham der Welt zeigen können. Vielleicht glauben Sie, dass Schulen oder Krankenhäuser von größerem Nutzen für uns wären, aber es gibt andere Wege, einem Volk zu helfen. Respekt ist am wichtigsten. Prinz Khaled weiß das.“
Sein stilles Lächeln ließ Lucy erröten. Hatte sie wirklich so herablassend geklungen?
„Außerdem“, fuhr Yusef schon fort, „wird der Sport mehr Touristen ins Land bringen. Und die wiederum stärken die Infrastruktur. Prinz Khaled hat all das gut durchdacht. Eines Tages wird er ein guter und großer König sein.“
Ein König. König Khaled. Der Gedanke kam ihr so fremd vor. Der Khaled, den sie kannte, wäre nie ein König geworden. Sie war sich kaum bewusst gewesen, dass er ein Prinz war. Für sie war er immer nur Khaled … der sexy, charmante Khaled, mit dem man so viel Spaß haben konnte. Und für eine kurze Zeit hatte er ihr gehört.
Lucy schaute auf und sah, dass Khaled sich gerade nach vorne beugte. Er hatte die Hände so fest ineinander verschränkt, dass die Knöchel weiß hervortraten. Unwillkürlich fragte sie sich wieder, was in den vergangenen vier Jahren wohl passiert war. Weshalb wirkte er so … unglücklich?
Da er nicht mehr selbst spielen konnte … Entsprach das wirklich der Wahrheit? War er aus diesem Grund so überstürzt abgereist? Und machte das überhaupt einen Unterschied? Wenn er sie ebenso geliebt hatte wie sie ihn, dann hätte er diese Information doch mit ihr geteilt, oder? Er hätte doch gewollt, dass sie ihm in einer schwierigen Zeit zur Seite stand.
Sie hatte
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