Palast der sinnlichen Traeume
ein zweites Mal einschenkte.
„Gestern hast du gesagt, du willst mit mir reden. Jetzt scheint mir eine gute Gelegenheit zu sein.“
„Warum, Khaled?“, fragte sie leise. „Warum kennt niemand die Wahrheit?“
„Warum“, wiederholte er und drehte sich zu ihr um, „erzählst du mir nicht, was ich deiner Meinung nach erfahren sollte und gehst dann endlich?“ Wieder leerte er das Glas. „Ich würde gerne alleine sein.“
Lucy zögerte. Diese Situation entsprach nicht unbedingt der, die sie sich vorgestellt hatte. Aber ihr war auch klar, dass sie vielleicht keine weitere Chance erhalten würde. Sie atmete tief ein und langsam wieder aus. „Okay. Khaled … als du England vor vier Jahren verlassen hast, war ich schwanger.“ Kurz schienen Khaleds Augen aufzuleuchten, dann wurden sie wieder schwarz und unergründlich. Gefährlich. „Du hast einen Sohn.“
Schweigen senkte sich über sie. „Einen Sohn“, wiederholte er dann. In seiner Stimme schwangen keinerlei Emotionen mit. „Und davon setzt du mich erst heute in Kenntnis?“
„Richtig“, entgegnete sie gelassen. Jetzt, da sie es ihm erzählt hatte, fühlte sie sich ganz ruhig. „Ich habe erst nach deiner Abreise gemerkt, dass ich schwanger bin“, fuhr sie fort. „Und als ich es wusste, habe ich versucht, dich zu erreichen. Deine Handynummer funktionierte nicht mehr …“
„Ist das alles?“, knurrte Khaled. „Ein lausiger Anruf?“
„Nicht ganz“, gab sie kühl zurück. „Ich habe dir eine E-Mail nach Biryal geschickt. Die Adresse hatte ich von der Regierungshomepage.“
„Du hast eine E-Mail an meine offizielle Adresse geschickt und ernsthaft erwartet, dass ich sie bekomme?“, unterbrach Khaled sie und fuhr sich mit einer Hand durch das nachtschwarze Haar. „Eine Mail mit diesem Inhalt ist unter Garantie als Trick eines Klatschmagazins oder als irres Gerede einer verschmähten Geliebten abgetan worden.“
„War ich denn nicht genau das?“, herrschte Lucy ihn an. Allmählich wurde auch sie wütend. „Nur, dass ich nicht irre geredet habe!“
Einen Moment starrten sie einander wieder an, dann wandte Khaled sich seufzend ab. „Wie heißt er?“
Die Frage überraschte Lucy und nahm ihr den Wind aus den Segeln. „Sam.“
„Sam“, sagte er. Verwunderung lag jetzt in seiner Stimme, die ihn seltsam verletzlich wirken ließ.
„Er ist drei Jahre alt“, meinte sie leise. „Vor vier Monaten hatte er Geburtstag.“
Den Blick in die Ferne gerichtet nickte Khaled langsam. „Ich werde einen DNA-Test veranlassen müssen.“
Lucy blinzelte. Natürlich hatte sie damit gerechnet, doch die Worte zu hören tat trotzdem weh. „Gut.“ Sie atmete tief ein. „Khaled, ich habe dir nicht von Sam erzählt, weil ich irgendetwas von dir will. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen …“ Sie brach ab, weil Khaled sie mit einem völlig ungläubigen Gesichtsausdruck anschaute.
„Sorgen?“, wiederholte er.
„Dass ich Geld von dir will oder etwas in der Art“, sagte sie schulterzuckend. „Sam und mir geht es gut. Wir brauchen nicht …“
„Mich?“, beendete er den Satz.
Auf einmal verspürte sie eine unbestimmte Furcht. Dieses Gespräch verlief nicht, wie sie es erwartet hatte.
„Jeder Junge … jedes Kind braucht seinen Vater.“
„Viele Kinder wachsen ohne auf.“ Wie sie. Kinder brauchten keinen Vater, der sie sowieso im Stich ließ. Sie schluckte, um den Kloß loszuwerden, der sich in ihrer Kehle gebildet hatte.
„Willst du mir sagen, dass du nicht willst, dass ich Anteil am Leben meines Sohnes nehme?“
Seine Worte glichen einer Anklage. Trotzig hob Lucy das Kinn. Sie war zum Kampf bereit. „Ja, genau das will ich dir sagen. Du hast dich nicht gerade als verlässlicher Mensch erwiesen, Khaled. Das Letzte, was ich will, ist, dass Sam dich kennenlernt, anfängt, dich zu lieben, und du wieder in ein fernes Land verschwindest.“
Khaleds Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Du beleidigst mich“, sagte er mit gefährlich leiser Stimme.
„Wirklich?“ Lucy zog eine Augenbraue hoch. „Ich dachte, ich sage nur die Wahrheit.“
Khaled fluchte leise auf, dann trat wieder zu dem kleinen Tisch am Fenster und schenkte einen weiteren Whiskey ein.
„Ich denke, du hast genug getrunken.“
„Ich habe noch gar nicht angefangen“, knurrte er mit dem Rücken zu ihr. „Und ich brauche keine Ratschläge von dir.“
„Okay.“ Ihr Herz pochte wie wild, trotzdem schaffte sie es, ihre Stimme ruhig zu halten. Was wollte er?
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