Palast der sinnlichen Traeume
hinzuzufügen. Es tut mir leid.
Mitgefühl änderte nichts. Dadurch wurde sein Knie auch nicht wieder gesund.
„Was ist mit Lucy?“, fragte Eric schließlich in die Stille hinein, in der Khaleds raue Atemzüge das einzige Geräusch waren.
Lucy . Der Name ließ Erinnerungen lebendig werden, die ihm zusätzliche Qualen bereiteten. Was konnte Lucy jetzt noch von ihm wollen? Verbitterung und Kummer stiegen in ihm auf. Er wandte den Kopf ab. Als er zu sprechen begann, wunderte er sich, wie gleichgültig seine Stimme klang. Wie kalt. „Was ist mit ihr?“
Überrascht schaute Eric ihn an. „Khaled … sie möchte dich sehen.“
„Etwa so?“ Mit einer Hand deutete er auf sein verletztes Bein. „Das glaube ich nicht.“
„Sie macht sich Sorgen.“
Khaled schüttelte den Kopf. Natürlich empfand Lucy etwas, vielleicht sogar Liebe, für den Mann, der er gewesen war. Aber bestimmt nicht für den Mann, der er jetzt war und – viel schlimmer – den Mann, der er bald sein würde. Der Gedanke, wie sie vor ihm zurückschreckte und ihn voller Mitleid ansah, ließ ihn wieder die Hände zu Fäusten ballen. „Du dir offenbar auch“, meinte er kühl zu dem ehemaligen Teamkameraden und beobachtete, wie Erics Augen wütend aufblitzten. Ihm tat alles weh, von seinem zerschmetterten Knie bis zu seinem leidenden Herzen. Er konnte es nicht ertragen, so viel Schmerz zu spüren, weder körperlich noch seelisch. Khaled fühlte sich, als würde er innerlich entzweigerissen. „Was bedeutet dir Lucy?“, fragte er und wusste doch ganz genau, dass er sich unfair verhielt.
Nach langem Schweigen entgegnete Eric: „Nichts. Es geht darum, was sie dir bedeutet.“
Wieder wandte Khaled den Kopf und starrte aus dem Fenster. Die Wolken waren dichter geworden, hüllten die Stadt ein und verbargen sie unter einer undurchdringlichen Decke. Er schloss die Augen. Sofort sah er Lucy vor sich mit ihren langen dunklen Haaren. Und dann war da noch ihr atemberaubendes Lächeln. Mit diesem Lächeln hatte sie ihn erobert. Er spürte, wie etwas in seinem Innern schmolz. Wenn sie lächelte, fühlte er sich, als hätte sie ihm einen Schatz geschenkt.
Sie arbeitete als Physiotherapeutin für das englische Rugbyteam. Seit zwei Monaten hatten sie eine Affäre.
Zwei unglaubliche Monate. Und jetzt das. Jetzt würde er nie wieder Rugby spielen, niemals mehr der Mann sein, den alle bewunderten. Das Wissen verletzte sein Ego, natürlich, aber der Schmerz ging noch tiefer, reichte bis in seine Seele.
Alles war ihm genommen worden. Alles.
Er dachte an den Anruf seines Vaters, an das Leben, das in seinem Heimatland Biryal auf ihn wartete. Noch eine Strafe. Das Leben, das er sich so hart erkämpft hatte, war vorbei.
Er schlug die Augen auf. „So viel bedeutet sie mir nicht.“ Es tat weh, die Worte zu sagen, so zu tun, als seien sie wahr. „Wo ist sie?“
„Sie ist nach Hause gegangen.“
Ein krächzender Laut entrang sich seiner Kehle, Bitterkeit schwang darin mit, dabei hatte er lachen wollen. „Konnte wohl nicht länger bleiben, oder?“
„Khaled, du bist stundenlang operiert worden.“
„Ich will sie nicht sehen.“
Eric seufzte. „Vielleicht morgen?“
„Nie wieder!“
Die Weigerung hallte mit derselben Endgültigkeit durch das Zimmer wie die Worte des Arztes. Es tut mir leid.
Auch ihm tat es leid. Nur, das änderte nichts.
Khaled sah, wie sein Freund erstarrte. Langsam schüttelte Eric den Kopf. „Khaled …?“
Auf seinen Lippen erschien ein emotionsloses Lächeln. Er wollte nicht, dass Lucy ihn so sah. Er konnte es nicht ertragen, hilflos vor ihr zu liegen – also würde er es nicht tun. Er musste eine Entscheidung treffen. Und getrieben von einem dumpfen Schmerz fiel sie ihm erstaunlich leicht. „Es gibt hier nichts mehr für mich, Eric.“ Niemanden. Er tat einen quälenden Atemzug. „Es ist Zeit, dass ich nach Biryal und zu meinen Pflichten zurückkehre.“ Zu den wenigen Verpflichtungen, die sein Vater ihm erlaubte. Einen Moment stellte er sich sein zukünftiges Leben vor: ein verkrüppelter Prinz, der das Mitleid seines Volkes akzeptierte, die herablassende Haltung seines eigenen Vaters, des Königs, hinnahm.
Dieses Leben kam ihm unmöglich, unerträglich vor, doch die Alternative war noch schlimmer: In England zu bleiben und miterleben zu müssen, wie das Leben seiner Freunde, das seiner Geliebten ohne ihn an ihm vorbeizog. Anfangs würden sie noch versuchen, ihm zu helfen. Doch schon bald würde er in ihren Blicken
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