Palast der sinnlichen Traeume
versucht, für ihn da zu sein, aber die Krankenschwester hatte ihr unmissverständlich erklärt, dass Prinz Khaled keine Besucher wollte. Überhaupt keine.
Plötzlich erhob sich Jubel unter den Zuschauern. Biryal hatte einen Punkt gemacht. Lucy verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. Damien Russel, einer der Verteidiger, humpelte ein wenig. Sicherheitshalber legte sie ein Eispack bereit.
Die nächste Stunde verbrachte sie damit, ihren Pflichten als Physiotherapeutin der Mannschaft nachzukommen. Sie kontrollierte Verletzungen, massierte verspannte Waden und kühlte geprellte Gliedmaßen. Die ganze Zeit über drängte sie bewusst jeden Gedanken an Khaled in den Hintergrund.
Das Spiel schien endlos zu dauern. Für eine so junge Mannschaft erwies Biryal sich als durchaus ernst zu nehmender Gegner. Allerdings vermutete Lucy, dass England nicht alles gab und Energie und Kraft für die wichtigeren Spiele beim Six Nations Turnier aufsparen wollte.
Endlich war es vorüber. In den allerletzten Sekunden erzielte Damien Russel noch ein Tor, woraufhin das gesamte Stadion in begeisterten Jubel ausbrach.
Verwundert schüttelte Lucy den Kopf. Biryal hatte verloren, und doch freuten sich die Leute.
„Knappes Spiel“, murmelte Yusef. „Und, wie Sie bestimmt bemerkt haben, gewonnen mit Prinz Khaleds Taktik.“
Natürlich! Jetzt erinnerte Lucy sich wieder an diese halbe Drehung. Khaled hatte sie erfunden. Wie oft war er von den Fotografen in dieser anmutigen Pirouette festgehalten worden?
Und nun hatte England ihm auch sie gestohlen.
Woher auf einmal dieser Gedanke kam, vermochte sie nicht zu sagen. Sie wusste nicht, wie Khaled sich fühlte, auch wenn er im Augenblick über das Feld zu den Spielern der englischen Mannschaft kam und ihnen lächelnd die Hände schüttelte.
Er humpelt, stellte sie verwirrt fest. Khaled humpelte, obwohl er sich bemühte, es nicht zu zeigen. Wie Yusef angedeutet hatte, musste seine alte Verletzung viel schlimmer gewesen sein, als alle geglaubt hatten.
Lucy schüttelte den Kopf. Sie wollte kein Mitleid mit Khaled empfinden, aus welchem Grund auch immer. Das würde ihr Vorhaben nur unnötig erschweren.
Im Stadion herrschte das übliche Chaos nach dem Spiel, und Lucy kümmerte sich um die Mannschaft. Irgendwann verkündete Aimee, dass am Abend zur Feier von Englands Sieg eine Party im Palast stattfinden würde.
Lucy schluckte. Nie hatte sie dringender mit Khaled sprechen wollen, nie sich mehr vor dem Gespräch gefürchtet. Seit sie in sein Land gekommen war, hatte er sich ihr gegenüber völlig distanziert verhalten. Sie fragte sich, ob er ihr von sich aus die Möglichkeit geben würde, mit ihm allein zu sein … oder ob sie darum betteln musste.
Am oberen Treppenabsatz blieb sie stehen. Klassische Musik drang zu ihr herauf. Das folkloristische Trio war durch ein Streichquartett ersetzt worden. Die Party, so viel wurde ihr klar, während sie die Stufen hinunterschritt, war nicht nur eine Feier, sondern auch eine Zurschaustellung von Reichtum. König Ahmed, heute gekleidet in einen westlichen schwarzen Anzug, stand nahe des weit geöffneten Palasttores, durch das warme Nachtluft hineinströmte.
Lucy strich mit beiden Händen ihr Abendkleid glatt, ein im Nacken gehaltener Traum aus cremefarbenem Satin. Es war das glamouröseste Kleid, das sie besaß. Es war überaus sexy, obwohl der weich fließende Stoff weder etwas betonte noch enthüllte, sondern nur andeutete. Das Haar hatte sie zu einem raffinierten Knoten am Hinterkopf zusammengefasst. Trotzdem fühlte sie sich sehr nervös.
Zwei Gläser Champagner später hatten Lucys Nerven sich wieder einigermaßen beruhigt. Sie schlenderte durch die Halle, unterhielt sich mit den anderen, lächelte, lachte.
Wo war Khaled? Nun, da sie sich ein wenig Mut angetrunken hatte, wollte sie mit ihm reden. Doch er schien ihr aus dem Weg zu gehen, denn während sie ihre Runde durch die Halle drehte, konnte sie ihn nirgends entdecken.
Enttäuschung stieg in ihr auf, als sie sich noch einmal aufmerksam umschaute. Mittlerweile war es schon spät geworden, ihr war ein bisschen schwindelig von dem ungewohnten Alkohol. Morgen würde sie wieder abreisen, heute Abend war ihre einzige Chance.
Allmählich schmerzte ihr Gesicht vom ständigen Lächeln, Müdigkeit schlich sich in ihren Körper. Außerdem kochte heftige Wut in ihr auf. Khaled wusste, dass sie mit ihm sprechen wollte. Sie hatte ihm gesagt, dass es wichtig war, und nun wich er ihr aus.
Kopfschüttelnd
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