Palast der sinnlichen Traeume
ihnen zu finden. „Warum hast du mir das nicht damals schon erzählt?“
„Ich wollte dir nicht zur Last fallen“, erwiderte er brüsk. „Ich habe gesehen, was passiert, wenn jemandem die langjährige Pflege eines geliebten Menschen aufgebürdet wird. Diese Entscheidung wollte ich dich nicht treffen lassen.“
„Aber du hättest mich entscheiden lassen müssen“, beharrte Lucy ruhig. „Ich hatte ein Recht darauf.“
„Und ich hielt es für mein Recht, diese Information für mich zu behalten.“
Lucy schüttelte den Kopf. Kummer erfüllte ihr Herz. „Ich hätte dir gerne zur Seite gestanden.“
„Dein Mitleid wollte ich nicht. Und jetzt will ich es auch nicht. Mittlerweile habe ich gelernt, mit meiner Krankheit zu leben, aber vor vier Jahren konnte ich den Gedanken nicht ertragen, dass jemand mich mit Samthandschuhen anfasst und mich mit seinem Mitgefühl erdrückt.“
Lucy setzte sich auf und zog die Knie an die Brust. „Es tut mir leid, dass du all das alleine durchmachen musstest“, erklärte sie. „Und ich verstehe jetzt, warum du gegangen bist, aber …“ Sie spürte, wie Khaled sich versteifte. Nun war nicht die Zeit, Rücksicht zu nehmen. Sie musste ihn mit ihren Gedanken konfrontieren. „Wenn ich dir wirklich wichtig gewesen wäre, Khaled, dann hättest du dich wenigstens gemeldet. Ein Brief, ein kurzer Anruf.“ Ihre Stimme begann zu zittern. „Irgendetwas.“
„Daran habe ich oft gedacht. Ich wollte es tun. Aber ich habe es gelassen, Lucy, weil ich zu dem Schluss gekommen bin, dass es nicht funktionieren würde. Ich wollte dir einfach nicht zur Last fallen. Ich weiß, wie das ist.“
„Wieso?“, fragte sie. „Woher?“
„Als ich noch ein Baby war, wurde bei meiner Mutter Multiple Sklerose festgestellt. Fünf Jahre später war sie bettlägerig. Deshalb habe ich auch keine Geschwister. Ich habe gesehen, wie mein Vater versuchte, sich um sie zu kümmern. Doch letztendlich hat die Krankheit nur ihre Ehe vergiftet.“
„Vergiftet?“
„Allmählich begann er, sie zu verachten. Natürlich wollte er das nicht, aber ich habe es ihm angemerkt. Und meine Mutter wusste es auch. Er wollte seine Ehefrau an seiner Seite, gesund und stark. Stattdessen …“ Er zuckte die Schultern. „Meine Mutter hat unter seiner Enttäuschung sehr gelitten. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, genauso zu enden.“
Lucy schwieg. Sie empfand tiefstes Mitgefühl für den kleinen Jungen, der Khaled gewesen war, und auch mit dem Mann, zu dem er sich entwickelt hatte. Gab es eine Möglichkeit, seine Verbitterung aufzulösen? „Und du dachtest, ich würde wie dein Vater reagieren? Ich würde … enttäuscht sein?“
„Nicht absichtlich.“
„Ich wäre es nicht gewesen“, fiel Lucy ihm ins Wort. „Punkt. Aber ich hatte nie eine Wahl.“
„Es war meine Wahl“, erwiderte Khaled bestimmt.
„Was hat sich nun geändert?“, fragte sie. „Deine Prognose ist noch dieselbe wie früher. Warum willst du mich jetzt heiraten?“
„Wegen Sam“, sagte er. „Und wegen dir. Ich will dich.“
Er will mich, dachte Lucy bitter. Kein Wort von Liebe. Doch was hatte sie erwartet?
„Ich weiß …“, er hielt inne, seine Miene war finster, nur in seinen Augen lag ein Hauch Verletzlichkeit. „Ich bin nicht der Mann, der ich einst war. Der Mann, in den du dich verliebt hast. Dieser Mann werde ich nie wieder sein.“ Verwundert starrte Lucy ihn an. Sie beide hatten sich verändert – das Leben, die Enttäuschung, die unerfüllten Träume hatten sie geformt. „Obwohl“, fuhr er fort, „du hast gesagt, du warst nie in mich verliebt.“
„Vielleicht war ich es“, flüsterte sie nach einer Weile.
Khaled setzte sich ebenfalls auf und berührte sanft ihre Wange. „Und jetzt?“, fragte er leise.
Ihr Herz begann schneller zu schlagen. Wie gerne hätte sie ihm gestanden, dass sie ihn liebte, den Mann, der ihr seine Schwäche gezeigt, seine Verletzlichkeit offenbart hatte. Aber während sie um Worte rang, wusste sie, dass sie es nicht konnte. Letzten Endes war es doch nur dieser eine magische Abend der Enthüllungen, ein Augenblick im immerwährenden Strom der Zeit, eine geplante Intimität.
Eine leise Stimme in ihrem Kopf flüsterte ihr zu: Was ist mit Sam?
Konnte sie Khaled heiraten, nur um Sam etwas Gutes zu tun? Und ihm so die Familie schenken, die seinen Eltern nicht vergönnt gewesen war? War das wirklich das Leben, das sie sich wünschte?
„Lucy?“
„Es tut mir leid.“ Sie schluckte, abermals
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