Palast der sinnlichen Traeume
es ist noch nicht zu spät.“
Lucy erwiderte den besorgten Blick ihrer Mutter im Spiegel. Lächelnd schüttelte sie den Kopf. Es war zu spät. Wenn sie jetzt einen Rückzieher machte, würde sie Khaled Schande bereiten. Es würde ihre Beziehung für immer belasten. Sie konnte es nicht verantworten, dass Sam unter ihrem Verhalten zu leiden hatte … oder Khaled. Sie würde nicht ihn verlassen.
Dana seufzte. „Ich möchte nur nicht mit ansehen, wie du dein Leben wegwirfst.“
„Das tue ich nicht.“ Sie wandte sich zu ihrer Mutter um. „Ich bin jetzt einunddreißig, Mum. Und Khaled war der einzige Mann in meinem Leben, der überhaupt eine Erwähnung wert ist. Ich denke – ich hoffe –, wir haben eine Zukunft und werden eine glückliche Ehe führen.“ War ein bisschen Glück denn zu viel verlangt? Die Hoffnung auf Liebe hatte sie ja bereits aufgegeben. Aber wenigstens Zufriedenheit sollte ihr doch vergönnt sein, oder?
Allerdings verhießen die vergangenen zwei Wochen nichts Gutes in diese Richtung. Nach der Ankündigung ihrer Hochzeit hatte Khaled sich zurückgezogen und nur noch in Sams Beisein mit ihr gesprochen. Einen Augenblick allein hatte es nicht mehr gegeben.
Lucy redete sich ein, dass es besser so war. Sie brauchten ein bisschen Distanz zueinander. Nur heute wollte sie keine Distanz, keine Ängste. Sie wollte Hoffnung.
Sie küsste ihre Mutter auf die Wange. „Mach dir keine Sorgen um uns …“
Dana schloss sie in die Arme. „Ich versuche es.“
„Danke, dass du heute hier bist, Mum.“
Es klopfte diskret an der Tür, und Lucy schenkte ihrer Mutter ein letztes zaghaftes Lächeln. „Auf geht’s!“
Noch nie waren ihr die Flure im Palast so lang und verworren vorgekommen wie jetzt, als sie dem Diener zum Empfangssaal folgte. Das einzige Geräusch kam vom Rascheln der Seide ihres Kleides. Ihr Herzschlag dröhnte in ihren Ohren. Ihr Mund fühlte sich wie ausgetrocknet an, ihre Hände waren klamm und kalt.
Ein livrierter Diener hielt die Tür zum Saal für sie auf, in dem hundert Gäste bereits warteten. Da Lucys Vater nicht hier war, würde sie den Weg an Khaleds Seite alleine zurücklegen.
Dana huschte auf ihren Platz neben Sam. Lucy setzte den ersten Fuß über die Schwelle.
Sie spürte die Blicke der geladenen Gäste auf sich ruhen. Alle musterten die fremde Engländerin, die bald Prinzessin sein würde. Ihre Beine fühlten sich an, als wären sie aus Gummi. Lucy glaubte zu stolpern und sah auf. Unverwandt schaute Khaled ihr in die Augen.
Er lächelte.
Nur eine kleine Geste, vielleicht bedeutungslos, doch Lucy kam dieses Lächeln wie ein Sonnenstrahl vor. Hoffnung keimte in ihr auf, stahl sich in ihr Herz und stärkte ihre Seele. Sie erwiderte das Lächeln. Den restlichen Weg legte sie mit sicheren Schritten zurück.
Schweigend streckte er seine Hand aus. Lucy ergriff sie ohne zu zögern. Dann begann die Trauung.
An viel konnte sie sich später nicht mehr erinnern. Im Grunde heirateten sie zweimal, erst im Ritus von Biryal, dann nach westlicher Tradition. Sie brauchte weder viel zu sagen noch zu denken. Tatsächlich drangen während der ganzen Zeremonie nur Empfindungen in ihr Bewusstsein: der Stoff ihres Kleides, wie er sich an ihre Hüften schmiegte, ihre Hand in Khaleds warmem und starkem Griff, das Geräusch des Deckenventilators.
Anschließend führte Khaled sie in einen benachbarten Saal, in dem das Festmahl stattfand. Immer neue Gäste traten zu ihnen, küssten sie auf die Wangen, klopften Khaled auf die Schulter. Alles verschwamm vor ihren Augen; sie war nur froh, dass ihr Angetrauter keine Sekunde von ihrer Seite wich.
Diener trugen goldene Teller voller Speisen und Getränke in den Saal. Die Gäste begannen zu tanzen. Musik hallte fröhlich durch den ganzen Palast, das Lachen der Menschen ebenso. Khaled und Lucy saßen am Rand und beobachteten das bunte Treiben. Übereinstimmend hatten sie entschieden, nicht zu tanzen.
Schließlich neigte auch die Feier sich ihrem Ende entgegen. Khaled stand auf und zog Lucy mit sich. Einige letzte Küsse und Glückwünsche galt es noch entgegenzunehmen, dann verließen sie den Saal. Sie schlenderten durch die Eingangshalle und weiter zu einem entfernten Teil des Palastes. Der fröhliche Lärm der Feiernden blieb hinter ihnen zurück. Schließlich geleitete Khaled seine Braut die Stufen zum höchsten Turm hinauf. Sie erreichten ein Zimmer, in dem alles für eine rauschende Hochzeitsnacht vorbereitet worden war.
Ein großes Himmelbett
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