Palast der Stuerme
Ich habe geschworen, ich werde keinen Penny von ihrer Aussteuer anrühren, und das habe ich auch nicht. Kurz nachdem sie mich verlassen hatte, wurde ich krank, und ich verlor meinen Posten im Ministerium. Irgendwie musste ich Geld verdienen, und ich entsann mich, dass ich schon immer Glück im Spiel gehabt hatte.“ Er zuckte mit den Schultern. „Den Rest kennst du. Das Schloss steht noch, aber es verfällt immer mehr. Ich habe es dir überschrieben, ebenso wie die Aussteuer deiner Mutter. Beides steht dir rechtmäßig zu.“ Er wandte sich an Claire. „Vielleicht kannst du meinen Sohn zu gegebener Zeit noch einmal nach Paris bringen und dann zu einer echten und aufrichtigen Versöhnung.“ Und zu Raoul sagte er leise: „Lasse dir niemals von deinem Stolz den Weg zu wahrem Glück versperren, mein Sohn.“
Claire und Raoul schwiegen, als sie die Klinik verließen. Claire wagte es nicht einmal, Raoul anzuschauen. Wie mochte er die Eröffnungen seines Vaters verkraften? Sie zweifelte nicht daran, dass Lucien die Wahrheit gesagt hatte, doch es würde mehr als ein paar erklärende Worte brauchen, damit die Wunden der Vergangenheit bei Raoul wirklich heilten.
Zwei Tage später kehrten Raoul und Claire nach Omarah zurück, als echtes Ehepaar.
„Saud hat Sie vermisst“, ließ Zenaide Claire wissen. „Er wird glücklich sein, dass Sie wieder da sind.“
Die Zeitungen berichteten lediglich über Raouls Besuch am Krankenbett seines Vaters, wie Raoul ihr am Abend zeigte, als er aus der Stadt zurückkam. Informationen über die Hochzeit waren also nicht durchgesickert. Raouls geschäftliche Verpflichtungen hielten ihn beschäftigt, und so sahen sie einander nur selten. Es war Zenaide, die Claire erzählte, dass Raoul und der Scheich die Reformierung des Schulsystems vorantrieben, sodass alle Kinder, Jungen und Mädchen, von dem Reichtum profitieren konnten, den das Öl dem kleinen Staat gebracht hatte.
Eine internationale Konferenz machte es nötig, dass Raoul am Ende der ersten Woche ihrer Ehe nach London flog, und während Claire ihn verabschiedete, konnte sie nicht umhin, sich zu fragen, wie er wohl seine Nächte verbringen würde. Illusionen machte sie sich nicht. Jede Frau, der er seine Aufmerksamkeit schenkte, würde sich glücklich schätzen.
Da es noch immer keine Anzeichen für eine mögliche Schwangerschaft bei ihr gab, war sie froh darum, dass sie darauf bestanden hatte, nicht wie Mann und Frau zusammenzuleben. Raoul würde es keine Probleme bereiten, mit ihr zu schlafen, ohne auch nur das Geringste für sie zu empfinden. Doch sie hatte nicht die Kraft, eine Beziehung zu ertragen, bei der die eine Seite zu stark liebte und die andere überhaupt nicht.
Die Vormittage verbrachte Claire mit Saud meist am Strand und kehrte dann zum Lunch zurück. Zudem hatte sie es sich zur Angewohnheit gemacht, an den heißesten Stunden des Tages zu ruhen, doch heute war sie besonders müde. Der Weg vom Strand zum Palast war steil, und beim Anstieg stellte sie sich vor, wie Raouls Vorfahren ihre Beute hinauf zum Palast trugen – Gold und Edelsteine von spanischen Galeeren, junge blonde Mädchen mit heller Haut, geraubt an den Küsten Europas. Claire wurde unwohl zumute. Wie hätte sie sich wohl gefühlt, wäre ihr zu jener Zeit dieses Schicksal widerfahren?
Ihr wurde schwarz vor Augen, und sie legte Saud ab, um sich an einem Felsen abzustützen. Wahrscheinlich hatte sie ein zu großes Tempo vorgelegt, erklärte sie sich den plötzlichen Schwindelanfall, als es ihr wieder besser ging. Saud beschwerte sich lautstark, so ignoriert zu werden, doch sobald Claire ihn wieder auf die Arme hob, lachte er strahlend und zeigte ihr stolz die ersten beiden Zähnchen.
Im Palast aß Claire wieder einmal allein. Seit der Rückkehr aus Paris schwand ihr Appetit mehr und mehr. Auch schien die Hitze ihr zuzusetzen und ihr sämtliche Energie zu entziehen, trotz der Klimaanlage im Palast. Oft war sie träge und apathisch. Sie brauchte dringend etwas, um sich zu beschäftigen. Wäre ihre Ehe mit Raoul eine echte, würde sie ihn um Rat bitten. Es musste doch so vieles geben, was sie tun könnte, um zu helfen. Er hatte doch Empfänge für ausländische Würdenträger erwähnt, und von Zenaide wusste Claire, dass er ein Apartment in einem Flügel des Regierungspalasts in der Stadt hatte. Sie war einfach nicht daran gewöhnt, so untätig ihre Zeit zu verbringen.
Sie öffnete den Brief, den sie von ihrer Patentante erhalten hatte, und krümmte
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