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Palast der Stürme

Palast der Stürme

Titel: Palast der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyssa Deane
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tun wollte, um es sicher zu machen. Es kam ihr nicht in den Sinn, dass das Haus im Fall einer Rebellion nicht der richtige Zufluchtsort für ihre Familie und die Hausangestellten sein könnte. Sollte sich der Aufstand wirklich so weit ausbreiten, so war das Haus ihrer Meinung nach robuster gebaut als die meisten anderen, und die Fenster und Türen konnten zugestellt und verriegelt werden. Sie hatte dafür gesorgt, dass Lebensmittel und gekochtes Wasser gelagert worden waren. Ihr Vater bewahrte seine persönliche Munition in seinem Büro auf, und ihre befand sich in ihrem Zimmer. Einen Augenblick dachte sie darüber nach, ob sie es fertigbringen würde, eine Waffe gegen einen anderen Menschen zu richten, verdrängte diese Vorstellung jedoch rasch wieder. Sie hatte nicht die Absicht, jemanden zu verletzen, aber sie würde alles Notwendige tun, um ihre Liebsten zu schützen.
    In den kommenden Tagen würde sie noch stärker darauf achten, dass Sera das Haus nicht allein und ohne ihr Wissen verließ. Ahmed würde sie eine Nachricht zukommen lassen, dass der Ausflug am Montag vielleicht besser verschoben werden sollte, und ihn darauf hinweisen, sich auf einen möglichen Aufstand vorzubereiten. Und was ihren Vater betraf … Er war ein erwachsener Mann, den sie nicht von der bevorstehenden Gefahr überzeugen konnte, aber vielleicht konnte sie darum bitten, bestimmte Vorsichtsmaßnahmen zu ihrem und Seras Wohl zu treffen. Diesem Argument würde er sich wahrscheinlich nicht verschließen.
    Roxane war ganz vertieft in ihre Pläne, als sie die Treppe hinaufstieg, und bemerkte nicht, dass auf der Veranda im Schatten jemand stand. Sie war beinahe schon im Haus, als eine kleine Bewegung in dem dämmerigen Licht ihre Aufmerksamkeit erregte. Sie schnappte nach Luft und legte instinktiv die Hand auf ihren Bauch.
    »Roxane.«
    »Papa!«
    Erleichtert, dass es sich nicht um irgendeine finstere Gestalt handelte, atmete sie ein paarmal tief durch, um sich wieder zu beruhigen. Er kam einen Schritt näher, und sie hörte das Klirren eines Glases, das gegen die Brüstung stieß.
    »Ich habe Feuer in der Ferne gesehen«, meinte er, aber es schien ihn nicht wirklich zu interessieren.
    »Die Sepoys«, erklärte Roxane. »Sie haben sich versammelt – angeblich, um über das Gerichtsurteil in Meerut zu sprechen.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, anscheinend …«
    »Wer war das auf der Straße, Roxane?«
    Wieder legte Roxane unwillkürlich die Hand auf ihren Bauch und ließ sie dort in einer beschützenden Geste liegen. Ihre Periode hätte vor knapp zwei Wochen einsetzen müssen; erst an diesem Morgen hatte sie Harriet Tytler, die mit ihrem vierten Kind schwanger war, einige diskrete, indirekte Fragen über dieses Thema gestellt. Sie hatte Collier noch nichts gesagt, da sie sich sicher sein wollte. Die Frage ihres Vaters machte ihr jedoch klar, dass es an der Zeit war, bestimmte Geheimnisse zu lüften.
    »Das waren Collier und sein Syce«, antwortete sie. »Sie haben mich nach Hause gebracht.«
    »Nach Hause«, wiederholte ihr Vater angespannt. »Von wo? Ich kann mich nicht erinnern, gehört zu haben, wie du das Haus verlassen hast.«
    »Das hast du wohl auch nicht, Papa.«
    Er drehte sich um und kippte mit einer heftigen Armbewegung den Inhalt seines Glases in hohem Bogen in den Garten.
    »Das ist nicht das erste Mal, dass du dich mitten in der Nacht aus dem Haus geschlichen hast, nicht wahr? Wie oft warst du schon in den frühen Morgenstunden mit diesem Mann zusammen, Roxane?«, fragte er mit erhobener Stimme.
    »Vater«, unterbrach Roxane ihn. Sie straffte die Schultern und bemühte sich, die Kontrolle nicht zu verlieren, denn sie verstand, dass er verärgert war. »Bitte hör mir einen Moment lang zu.«
    »Zuhören? Hast du mir nicht gesagt, du würdest keine Schande über dieses Haus bringen?«
    »Das habe ich gesagt«, antwortete sie ruhig. »Und so ist es. Bitte setz dich.«
    Sie nahm in einem der Stühle an der Wand Platz, und nach einem Augenblick ergriff ihr Vater auch einen Stuhl und zog ihn neben ihren. Er trommelte mit den Fingernägeln gegen das Glas in seiner Hand und wartete.
    »Papa«, begann sie und zögerte. Sie strich sich mit der Hand über den Bauch und lächelte plötzlich in der Dunkelheit. Mit einem tiefen Atemzug lehnte sie den Kopf gegen die Wand und schreckte eine helle Motte auf, die flügelschlagend in die Nacht hineinflog.
    Roxane streckte ihre Hand aus und legte sie auf seine.
    »Papa«, begann sie erneut. »Dieser

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