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Palast der Stürme

Palast der Stürme

Titel: Palast der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyssa Deane
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sich ihm vor Panik der Magen zusammenkrampfte.
    »Noch nicht«, antwortete er schließlich. »Aber es werden immer mehr. Ich bin allerdings der Meinung, wir sollten irgendwo Zuflucht suchen, wo wir uns wegen des Feuers keine Sorgen machen müssen.« Er verzog das Gesicht und deutete auf die Wände ringsumher.
    »Der Tempel«, sagte Mrs Craigie, einem plötzlichen Einfall folgend. »Auf dem Grundstück befindet sich ein Hindutempel. Wo ist Lieutenant Mackenzie? Wir müssen mit ihm sprechen.«
    Kurz darauf kam Mackenzie zurück und äußerte die gleiche Befürchtung wie Collier. Dann informierte er Mrs Craigie, dass ihr Mann auf dem Weg sei. Er hatte ihn auf das Haus zureiten sehen.
    »Ist er allein?«, wollte Collier wissen.
    »Nein, Gott sei Dank nicht. Die Sowars sind immer noch bei ihm.«
    »Ich frage mich, welche Neuigkeiten sie bringen«, murmelte eine der Frauen leise.
    »Wurde eine Nachricht nach Delhi geschickt, Lieutenant?«, fragte Collier, ohne den Blick von den Meuterern abzuwenden. Als er keine Antwort bekam, sah er sich um. Der andere Offizier schüttelte wortlos den Kopf.
    »Verdammt, warum nicht?«, fluchte Collier und vergaß in seinem Zorn, dass Damen anwesend waren. »Ich werde mich sofort darum kümmern.«
    »Das nützt nichts«, erklärte Mackenzie. »Die Leitungen sind gekappt. Bereits seit dem Nachmittag. Wie ich glaube, wurden sie bereit vor fünf Uhr zerstört. Meinen Sturz vom Pferd habe ich einem losen Draht zu verdanken«, fügte er hinzu.
    Collier wandte sich frustriert um. »Wir müssen irgendetwas organisieren, um diese Rebellen aufzuhalten, bevor sie Delhi erreichen«, meinte er.
    Mackenzie runzelte die Stirn. »Wie kommen Sie auf die Idee, dass sie nach Delhi ziehen werden? Ist es nicht wahrscheinlicher, dass sie in ihre Häuser zurückkehren?«
    Collier atmete tief durch, bevor er antwortete. Er ließ das Gewehr sinken. Als er sich umdrehte, kratzte sein blutverkrustetes Schwert an der Wand entlang und hinterließ eine silberfarbene Schramme. »Dieser Ausbruch ist nur die Vorhut«, erklärte er. »In gewisser Weise können wir froh sein, dass es jetzt passiert ist und nicht in drei Wochen am Jahrestag der Schlacht bei Plassey, wie es wahrscheinlich geplant war. Durch den verfrühten Aufstand fehlt den Meuterern der Zusammenhalt. Wenn wir das nützen, können wir viel Zeit sparen und Leben retten. Das kann jedoch nur gelingen, wenn die Rebellen mit einer überzeugend großen Streitmacht am Einzug in Delhi gehindert werden. In Delhi liegt nämlich der Schlüssel zu ihrer Stärkung. Dort können sie sich im Namen ihres Ziels und der von ihnen empfundenen Gerechtigkeit vereinen. In Delhi lebt Mohammed Bahadur Shah, der Letzte der Mogule. Wenn sie ihn davon überzeugen können, ihre Sache zu unterstützen, und er ihnen seine Protektion anbietet, dann werden sich zahllose Rebellen zusammenrotten, um unter diesem Banner zu kämpfen.«
    Einen Moment lang herrschte absolute Stille. Selbst der Lärm draußen schien abzuklingen. »Gütiger Himmel«, seufzte der Lieutenant schließlich.
    Danach waren keine langen Gespräche mehr nötig. Collier verabschiedete sich von den beiden Offizieren und ihren Angehörigen. Er wollte versuchen, sich zum Exerzierplatz des 60. Regiments durchzuschlagen, wo sich angeblich die Dragoon Guards auf ihren Einsatz vorbereiteten. Adain konnte es kaum erwarten loszupreschen, als Collier ihn losgebunden hatte. Collier schwang sich in den Sattel und fuhr dabei mit dem Finger in ein Loch im Knauf. Die Kugel, die dort eingeschlagen war, hatte ihn und das Pferd nur knapp verfehlt, wie man an der Austrittsstelle sehen konnte. Er zog die Zügel herum und zwang den Hengst, sofort loszugaloppieren. Adain sprang über den Zaun und durch die Menge, als hätte er Flügel. Seine Hufe trafen ungeschützte Köpfe und Schultern, während Collier sein Schwert links und rechts niedersausen ließ. Der Wind trieb eine dichte Rauchwolke auf ihn zu, die zwar seine Sicht kurz behinderte, ihn aber auch vor den Blicken seiner Verfolger schützte. Um ihn herum bebte die Erde unter dem Gewicht der donnernd einstürzenden Häuser. Die Welt schien verrückt geworden zu sein. Das war nicht der Krieg, den er kannte, sondern etwas Ursprünglicheres und Bösartigeres.
    Als er den Exerzierplatz erreicht hatte, fand er eine noch heimtückischere Art des Chaos vor. Anscheinend hatten die obersten Befehlshaber alle ihre Fähigkeiten verloren. Sinnvolle Befehle waren widerrufen worden, während andere

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