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Palast der Stürme

Palast der Stürme

Titel: Palast der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyssa Deane
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so freundlich, mir die kalte Fleischsoße zu reichen?«
    Wortlos hob Roxane das Gefäß mit Deckel auf und reichte es weiter. Miss Peabodys Dank war kaum zu hören.
    »Lernen Sie Fremdsprachen schnell?«
    Roxane winkte ab. »Ich habe mir einige wenige Kenntnisse in Griechisch und Italienisch angeeignet, und ich spreche einigermaßen gut Französisch. In diesen Sprachen komme ich zumindest irgendwie klar, falls die Situation es einmal erfordern sollte.«
    »Das war aber noch nie der Fall, oder?«, erkundigte sich Collier.
    »Noch nicht.«
    »Aber Sie würden sich darüber freuen.«
    »Ja, ich würde gern reisen.«
    »Sie sind eine sehr selbstständige junge Frau. Das bewundere ich. Allerdings befürchte ich, dass Ihr Vater mit Ihnen alle Hände voll zu tun haben wird. Sie sind ganz sicher nicht mehr das fügsame kleine Mädchen, an das er sich bestimmt noch erinnert. Wie viele Jahre, sagten Sie, haben Sie ihn nicht mehr gesehen?«
    Roxane ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Ich habe es Ihnen nicht gesagt, Captain. Und ich war nie fügsam, das können Sie mir glauben. Enttäuscht?«
    »Nein«, erwiderte er. »Nicht im Geringsten.«
    Irritiert von seiner Antwort und seinen vorher gestellten Fragen richtete sie ihren Blick auf die Platte, die ihr zwei braune sehnige Hände von links reichten.
    »Versuchen Sie den Pfau mit Curryfüllung«, empfahl Captain Harrison und sah ihr wieder in die Augen. »Er wird Ihnen schmecken.«
    »Danke«, erwiderte sie steif. Einige Scheiben eines einmal wunderschönen Vogels landeten auf ihrem Teller, zusammen mit einer Mischung aus Reis, Gemüse und Brot, gewürzt mit rotem Curry. Sie nahm vorsichtig einen Bissen. Auf der anderen Seite beanspruchte Miss Peabody wieder die Aufmerksamkeit des Captains. Dieses Mal benötigte sie dringend den Salzstreuer. Auf ihrer rechten Seite trank Captain Grovsner sein viertes Glas Rotwein.
    Allerdings schien er jetzt sein Tempo zu zügeln. Er nippte mit gespitzten Lippen an dem Wein und trank in kleinen Schlucken, anstatt das Glas in wenigen Zügen zu leeren. »Miss Sheffield, da Sie aus London kommen, könnten wir vielleicht gemeinsame Bekannte haben.«
    »Wie zum Beispiel?«
    Während sie sprach, nahm sie aus dem Augenwinkel wahr, dass Rose sich eine neue Taktik angeeignet hatte. Die junge Frau hatte jetzt ihren blassen Arm auf die Rückenlehne von Captain Harrisons Stuhl gelegt und plapperte ihm etwas ins Ohr. Roxane konnte nicht an Colliers Kopf vorbeischauen, aber sie hörte, dass die Stimme der Frau sich zu einem leisen Murmeln gesenkt hatte. Auch ihr Gelächter klang gedämpft. Sie konnte es kaum fassen, dass die Eltern der jungen Frau nichts gegen das Verhalten ihrer Tochter einzuwenden hatten – ebenso wenig wie Captain Harrison, der entspannt auf seinem Stuhl saß und sich so benahm, als wäre das ein alltägliches Verhalten.
    Plötzlich ertappte sie sich dabei, dass sie mit viel zu viel Kraftaufwand ihr Essen attackierte. Sie legte Gabel und Messer an den Rand ihres Tellers, atmete tief durch und faltete die Hände im Schoß.
    »Ich glaube, meine Schwester und ihr Mann leben immer noch dort«, fuhr Grovsner fort, der die Pause zwischen ihnen offensichtlich nicht bemerkt hatte. »Vielleicht kennen Sie sie.«
    »Wie heißen sie denn?« – »Wie sie heißen?«, fragte der Offizier ausdruckslos. »Ach so, ja. Der Name des Schurken ist William Richards, und meine Schwester heißt Alice.«
    »Nun«, sagte Roxane lächelnd. »Wir sind uns wohl nie begegnet, aber ich habe mich üblicherweise auch nicht in Gesellschaft von Schurken aufgehalten, Captain Grovsner. Zumindest nicht, bis ich hierher kam.«
    Sie hatte nicht lange über diese Bemerkung nachgedacht. Es sollte ein Scherz sein, aber Captain Grovsner erstarrte neben ihr, als er gerade sein Glas an die Lippen führen wollte. Roxane spürte warmen Atem an ihrem Hals und an ihrer Wange. Ihre Nackenhärchen stellten sich auf, und sie wusste, ohne den Kopf zu drehen, dass Captain Harrison sich ihr wieder zugewandt hatte. Seine Stimme grollte an ihrem Ohr.
    »Schurken? Denken Sie dabei an eine bestimmte Person, Miss Sheffield?«
    »Möglicherweise«, erwiderte sie leise und hielt den Blick starr auf einen Weinfleck auf dem Tischtuch gerichtet. Am Tisch ging die Konversation fröhlich weiter und übertönte ihre eigene. Grovsners Aufmerksamkeit war durch eine weitere Flasche Wein vorübergehend abgelenkt.
    »Eine ungerechte Einschätzung«, meinte der Captain, »wenn man die Dauer unserer

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