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Palast der Stürme

Palast der Stürme

Titel: Palast der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyssa Deane
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sein Erscheinen Schwindelgefühle in ihr auslöste.
    Sie biss sich auf die Lippe, und als sie den Finger zurückzog, stellte sie bestürzt fest, dass sie einen Fleck hinterlassen hatte. Ihre Fingerspitze war von Unitys Tinte schwarz verfärbt. Langsam stellte sie die Karte zurück und trat mit vor dem Rock gefalteten Händen einen Schritt zur Seite.
    Collier Harrison. Der Name hatte einen besonderen Klang. Er rollte auf der Zunge wie etwas Schwieriges, Widerspenstiges. Wie der Mann selbst.
    Roxane stieß ungeduldig ein unbedachtes Wort hervor und drehte sich vom Tisch zur Tür um. Und dort sah sie ihn stehen. Er lehnte sich gegen den Türrahmen, so selbstsicher, entspannt und attraktiv in seiner Uniform, wie man es sich von einem Mann nur wünschen konnte. Sein schwarzes Haar war oberhalb des Haaransatzes leicht zerzaust – offensichtlich war er sich mit den Fingern durchs Haar gefahren.
    »Da sind Sie ja. Sie werden bereits vermisst.«
    »Tatsächlich?« Sie bemühte sich, ihr Unbehagen hinter einem kühlen Ton zu verbergen.
    »Schmerzlich«, bestätigte er lächelnd.
    »Von wem?«
    »Von einer Person kann ich es ganz sicher sagen«, erwiderte er prompt.
    Roxane ließ die Augenbrauen sinken. »Sicher habe ich Mrs Stanton beunruhigt. Es war unhöflich von mir, den Salon zu verlassen. Würden Sie mich bitte vorbeilassen?«
    Sie blieb vor ihm stehen. Hinter ihr sah der Diener kurz auf und widmete sich dann wieder den Blumen. So nahe vor dem Captain wurde Roxane sich seiner Größe und seiner breiten Schultern bewusst – noch mehr als während der Fahrt in seinem Einspänner. Trotz seiner Größe reichte sie ihm jedoch fast bis zum Kinn. Sie vermied es, ihm in die Augen zu sehen, und starrte stattdessen geradeaus, genau auf seine dunklen Locken, die ihm über den Kragen fielen.
    »Sie brauchen einen Haarschnitt«, meinte sie zusammenhanglos.
    »Ach ja? Dann muss ich mich wohl darum kümmern«, erwiderte er.
    Sie wartete schweigend darauf, dass er zur Seite trat, aber er beugte sich vor und flüsterte ihr mit leiser, tiefer Stimme ins Ohr: »Was haben Sie hier gemacht, Miss Sheffield?«
    Wie sie später vermutete, musste irgendetwas in seinem Tonfall sie auf den Gedanken gebracht haben, dass er wohl schon länger dort gestanden hatte. Sie beschloss, ihm geradeheraus zu antworten.
    »Ich habe mir überlegt, ob ich Ihre Platzkarte mit einer anderen vertauschen soll, Captain.«
    »Tatsächlich? Warum?«
    Sie atmete tief ein. »Weil mich die Vorstellung, den ganzen Abend neben Ihnen zu setzen, beunruhigt.«
    »Tatsächlich?«, wiederholte er. Er richtete sich auf und ließ den Arm sinken, mit dem er sich an den Türrahmen gestützt hatte. »Ist meine Gegenwart so widerlich für Sie, Miss Sheffield?«
    Sie hob den Kopf und starrte ihm zornig und anklagend direkt in die Augen. »Wenn Sie nicht begreifen, was Ihre Gesellschaft für mich bedeutet, dann werde ich auch nicht versuchen, es Ihnen zu erklären, Sir. Ich spiele solche Spielchen nicht sehr gut, Captain Harrison. Flirts waren noch nie meine Stärke, und sie interessieren mich auch nicht im Geringsten.«
    »Das ist kein Flirt, Miss Sheffield«, erwiderte er ernst.
    Ihr Atem klang wie ein wütendes Zischen. »Ach nein? Was genau ist es dann? Soll ich etwa raten?«
    »Nein«, antwortete er leise. »Nein, Sie brauchen nicht zu raten. Wenn Sie wollen, werde ich Ihnen sagen, was sich zwischen uns ganz plötzlich und mit voller Macht entwickelt hat. Möchten Sie es wissen?«
    Es war die stille Kraft in seinen Worten, die ihr das Gefühl gab, er hätte sie in die Arme genommen. Sie fühlte sich von seinen Worten getragen, von der Sinnlichkeit ihrer Bedeutung, ebenso wie von der Intensität seines direkten und doch unruhigen Blicks.
    »Meine Güte, hier seid ihr also geblieben! Nun, es ist Zeit zum Abendessen. Habt ihr den Gong nicht gehört? Oh, wir werden fürstlich speisen. Es ist ein herrlicher Abend, nicht wahr, Captain Harrison?«
    »Das liegt ganz im Auge des Betrachters«, meinte der Captain und trat einen Schritt zur Seite.
    Augusta Stanton kicherte, offensichtlich verwirrt von seiner Antwort, und ging voran zum Tisch.
    Roxane gestattete Collier, ihr den Stuhl zurückzuziehen. Dank ihres schmalen Reifrocks konnte sie sich ohne Schwierigkeiten setzen. Ganz anders erging es Miss Rose Peabody, der jungen Frau, die an Colliers linker Seite Platz nehmen wollte. Auch ihr rückte Collier den Stuhl zurecht, aber der ältesten Tochter von Colonel und Mrs Peabody, zwei weiteren

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