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Palast der Stürme

Palast der Stürme

Titel: Palast der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyssa Deane
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langen Beine ins Gras.
    »Genießen die Damen den Abend?«, erkundigte er sich.
    »Oh ja!«, rief Unity.
    »Bisher schon«, antwortete Roxane tonlos.
    Er lachte – ihre Aufrichtigkeit gefiel ihm. Seine Zähne blitzen; sie waren nicht übermäßig groß, sehr gerade und schimmerten weiß in seinem sonnengebräunten Gesicht. Er trug keinen Schnauzer, wie ihn viele junge Männer für modisch hielten, und sein glatt rasiertes Kinn wirkte irgendwie jugendlich, obwohl es sehr kräftig war.
    »Miss Sheffield, wie geht es Ihrer Hand?«, erkundigte er sich.
    Roxane hielt ihm ihre Hand entgegen, sodass er einen kurzen Blick darauf werfen konnte, und ließ sie dann in ihren Schoß fallen. Der kleine Schnitt war beinahe ganz verheilt.
    »Verheilt gut«, murmelte sie.
    »Keine Infektion?«
    »Nein.«
    »Harry ist nicht so leicht davongekommen«, meinte Collier trocken.
    »Das will ich meinen«, stimmte Roxane ihm zu. Ihre Stimme klang ebenso trocken wie seine. Sie richtete den Blick wieder auf die Kapelle und fixierte die im Schein der Fackeln glänzenden Blechblasinstrumente. Die Unterhaltung hatte im Flüsterton stattgefunden, wobei der Captain sorgfältig darauf geachtet hatte, dass Roxane seine Worte verstand. Als Roxane sich ihm wieder zuwandte, sah sie, dass ihr Vergeltungsschlag und ihre Verletzung nicht alles waren, woran er sich beim Gedanken an diese Nacht erinnerte. Seine Miene war zärtlich, belustigt und wachsam. Sie schaute rasch zur Seite und hielt unwillkürlich den Atem an.
    »Worüber flüstert ihr beide denn?«
    »Über die Hitze an diesem Abend«, log Collier so unbefangen, dass Roxane sich ihm abrupt wieder zuwandte. Sie hob irritiert die Augenbrauen.
    »Ja, für diese Uhrzeit ist es noch sehr warm«, stimmte Augusta ihm zu und nickte. Als nachträgliche Bestätigung fächelte sie sich heftig Luft zu.
    »Wie leicht Ihnen Lügen über die Lippen gehen«, zischte Roxane in scharfem Ton.
    »Manchmal schon«, stimmte er ihr liebenswürdig zu.
    Roxane öffnete den Mund und schloss ihn so fest wieder, dass ihre Zähne schmerzten. Sie drehte ihren Fächer in der Hand und schlug ihn gegen ihren Rock.
    »Lügen Sie oft?«
    »Nur, wenn ich mir anders nicht zu helfen weiß.« Er lächelte.
    »Sie sind unausstehlich und schamlos«, erwiderte sie in scharfem Tonfall.
    »Das klingt so, als wäre mein Charakter ein Thema für eine Diskussion, Miss Sheffield.«
    »Nicht, wenn ich es verhindern kann.«
    Er schwieg eine Weile, dann lachte er gutmütig. »Gut gekontert«, sagte er. »Ich nehme an, dass ich in geringem Maße deinen Zorn verdiene.«
    »In geringem Maße? Was bringt Sie zu dieser irrigen Ansicht? Sie … Sie haben mich geküsst, Sir. Sie haben versucht, mit mir zu schlafen. Das ist kein Bagatelldelikt.«
    »Ich habe versucht, mit dir zu schlafen?«, wiederholte er erstaunt. »Mein unschuldiger Liebling, der Liebesakt beinhaltet wesentlich mehr als das, was zwischen uns vorgefallen ist. Viel mehr.«
    Die letzten Worte sagte er so leise, dass sie sie beinahe nicht gehört hätte, doch wie ein kalter Windstoß, den man kaum spürt, jagten sie ihr einen Schauer über den Rücken.
    »Dann werde ich wohl unschuldig bleiben, was das Ausmaß eines solchen Unterfangens betrifft«, erklärte sie. Zu ihrer Verwirrung lachte er. Sie umklammerte ihren Fächer so fest, dass die Rillen und Rippen des Musters sich in ihre Haut eindrückten. Entschlossen legte sie den Fächer auf ihren Schoß, wo er beinahe ganz in den Volants und Falten ihres Rocks verschwand.
    In diesem Moment beugte sich Augusta nach vorn und tippte Captain Harrison mit ihrem Fächer auf die Schulter. »Welche Geheimnisse enthalten Sie beide uns vor, Captain?«, fragte sie mit einem mädchenhaften Lächeln. »Wir wollen doch nicht unhöflich sein.«
    Collier wandte sich um und öffnete den Mund, doch Roxane begann zu sprechen, bevor er auch nur ein Wort sagen konnte.
    »Der Captain hielt das Stück fälschlicherweise für ›The Last Rose of Summer‹«, sagte sie schlagfertig. »Wir haben uns darüber unterhalten, dass er sich irrt.«
    Collier räusperte sich leise und zog eine Augenbraue hoch. Roxane ignorierte ihn und sah stattdessen von Mrs Stanton zu Unity, als das Mädchen antwortete.
    »Das ist ›The Last Rose of Summer‹, Roxane. Captain Harrison irrt sich nicht.«
    »Natürlich nicht.« Collier grinste.
    Roxane atmete stoßweise ein und aus. Sie warf dem Captain einen vernichtenden Blick zu, doch er ignorierte sie und schenkte Unity ein höfliches

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