Palast der Stürme
Ayahs oder mit Trägern, die sich freundlich mit ihnen unterhielten. Die Kinder lernten die Landessprache nebenher und beherrschten sie meist ebenso gut wie ihre Muttersprache. Während sie langsam weitergingen, beobachtete Roxane die jungen Ladys in ihren hübschen pastellfarbenen Kleidern und die Soldaten, die sie begleiteten. Weiter am Rand sah sie Männer auf ihren Pferden – Kavallerieoffiziere, die die Zuschauer mit ihren Reitkünsten beeindrucken wollten, während sie mit Eiscreme für die Damen zum Pavillon hin- und zurückritten. Mit Ausnahme der Kinder und der verheirateten Männer mit ihren Frauen schienen alle in dieser Nacht nur eines im Sinn zu haben – das Werben. Man flirtete, stellte sich zur Schau, holte Erfrischungen, und allem lag die gleiche Absicht zugrunde.
Collier folgte ihrem Blick. »Ich war unhöflich. Möchtest du ein Eis?«
»Nein danke«, antwortete Roxane ein wenig zu schnell. »Ich meine, ich … nein, danke«, fügte sie hinzu.
Er tätschelte ihr die Hand, und sie gingen weiter. Roxane beobachtete ihn aus den Augenwinkeln und wunderte sich über sein Schweigen, wo er so dringend um ein Gespräch ersucht hatte. Seine Miene im Schein der Fackeln passte nicht zu seinem leichten Tonfall, mit dem er Vorübergehende begrüßte. Er schien sich Sorgen zu machen. Seine Stirn war leicht gerunzelt, und sein Kinn war angespannt. Nach einer Weile spürte er ihren Blick und wandte sich ihr mit einem Lächeln zu.
Roxane drehte rasch den Kopf zur Seite. Was immer ihn auch beunruhigen mochte, er wollte es ihr offensichtlich noch nicht sagen. Sein warmes, zärtliches Lächeln erregte sie so sehr, wie er sich das niemals vorstellen könnte, da war sie sicher. Und sie würde es niemals zugeben.
»Hier entlang«, sagte er plötzlich und brach das Schweigen zwischen ihnen. Ohne ihn anzusehen, ging Roxane neben ihm her, so beschäftigt mit ihrem inneren Aufruhr, dass sie das Ziel ihres Spaziergangs nicht weiter interessierte.
Jenseits des Maidan-Parks standen im Schutz der Nacht etliche Kutschen am Straßenrand aufgereiht. Die Fahrer hatten sich auf die Erde gesetzt, rauchten, unterhielten sich leise oder dösten, während sie auf das Ende der Festivitäten warteten. Die Lampen der Einspänner wirkten wie unbewegliche Spiegelbilder der Glühwürmchen, die durch die Sträucher schwirrten. Der Captain und Roxane schlenderten durch die Reihen; die leisen, summenden Stimmen der Fahrer, das Klirren der Pferdegeschirre und das gelegentliche Aufstampfen eines Hufs auf der weißen Straße waren friedliche Geräusche, die sie wie eine Wand vom Lärm des Festplatzes trennten. Der helle Schein der Fackeln war hier durch die Schatten gedämpft und verlor sich in der Nacht. Dahinter verlief eine niedrige, gerade Mauer, die leicht zu übersehen war. Sie begrenzte ein weites Grasfeld mit stämmigen Niembäumen, die ihre schwarzen Zweige in den Sternenhimmel reckten.
Roxane hatte ihre Hand in Colliers Armbeuge gelegt und spürte die Wärme seiner Haut durch den Stoff der Uniform. Sie fühlte seine Oberarmmuskeln, die sich zwischen ihrem Zeigefinger und ihrem Daumen anspannten. Und sie hörte sein tiefes, gleichmäßiges Atmen. Sie selbst atmete nicht so ruhig.
Als sie einen Blick über ihre Schulter warf, stutzte sie. »Sie haben gesagt, wir würden nicht weit gehen.«
Er warf ihr einen kurzen Blick zu. »Ich möchte dir etwas zeigen.« Ihr anmutiger Gang wurde plötzlich steif. »Ich habe dir gesagt, dass du von mir nichts zu befürchten hast.«
Roxane schwieg. Sie ging zwar weiter neben ihm her, nahm aber ihre Hand von seinem Arm und verschränkte ihre Finger vor ihrem Rock.
»Eine herrliche Nacht«, sagte er nach einer Weile. »Sieh dir die Sterne an. Man sagt, sie seien Omen des Himmels. Was denkst du?«
Roxane legte den Kopf in den Nacken und betrachtete den Nachthimmel. Dann zuckte sie die schmalen Schultern. »Ich weiß nicht«, antwortete sie. »Als Christin dürfte ich so etwas nicht glauben, aber ich frage mich das auch manchmal. Selbst in unserer eigenen Zivilisation hat man in der Vergangenheit ihrer Anordnung große Bedeutung beigemessen.«
»Hmm«, brummte er und lachte dann. »Diese Frage war eigentlich rhetorisch gemeint, Roxane; ich habe nur laut gedacht und dich daran teilhaben lassen. Stört dich das? Das könnte im Laufe des Abends noch öfter vorkommen.«
»Ich … ich glaube nicht, dass mich das stört.« Sie warf ihm von der Seite einen Blick zu. Sein Gesicht lag ihm Schatten, aber
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