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Palast der Stürme

Palast der Stürme

Titel: Palast der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alyssa Deane
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Olivia legte ihre Schürze auf die Tischkante. »Dann werden wir jetzt gemeinsam meinen Vater abholen. Er ist in seinem Büro, und ich habe ihm versprochen, die Kutsche vorbeizubringen. Er hatte eine späte Verabredung – irgendetwas Geheimnisvolles und Verbotenes, das er mir nicht sagen wollte. Mit anderen Worten, es hatte sicher etwas mit Geldangelegenheiten zu tun, und er traut mir nicht zu, dass ich genügend Verstand besitze, um sie zu verstehen.« Sie verzog das Gesicht und brachte Roxane damit zum Lachen.
    Die Kutsche der Waverlys war gold-weiß gestrichen und wurde von zwei weißen Pferden gezogen. Ein Diener schnalzte mit den Zügeln, um die Pferde anzutreiben. Bevor sie das Haus verlassen hatten, hatte Olivia sich Gesicht und Hände gewaschen und ein frisches, pinkfarben-weißes Kleid angezogen. Ihre Locken waren gebürstet und im Nacken mit einem Haarnetz gebändigt. Sie trug einen weißen Sonnenhut mit pinkfarbenen Rosetten und lächelte Roxane unter der breiten Krempe an. Neben ihr fühlte sich Roxane schmutzig in ihrem verschwitzten Kleid mit den Flecken auf dem Rock, die vom Knien auf dem Boden stammten. Olivia lachte und hielt es für ihre Pflicht, sie daran zu erinnern, dass die Männer sie schön finden würden, egal was sie trug.
    Roxane verdrehte die Augen.
    »Wenn wir wirklich Freundinnen werden sollen, müssen Sie damit aufhören, Olivia.«
    »Einverstanden«, erwiderte Olivia lachend. Ohne den Blick von Roxane abzuwenden, wickelte sie das Band ihres Huts um einen Finger, bevor sie es wieder losließ.
    »Miss Sheffield«, flüsterte sie vertraulich und rückte ein Stück näher. »Ich werde auch heiraten.«
    Unter Roxanes Blick färbte sich Olivias cremefarbener Teint leicht rosa, und die junge Frau senkte verlegen den Kopf. Roxane lächelte sie an und fragte sich, ob ihre Gefühle für Collier auch so offensichtlich waren. Sie hoffte nicht, denn sie fand es höchst beunruhigend, sich vorzustellen, dass die ganze Welt ihre innersten Regungen mit einem Blick erkennen konnte.
    Olivia hatte sich wieder gefangen und sah sich um.
    »Hier ist das Büro meines Vaters«, verkündete sie und deutete auf eine offene Tür am oberen Ende einer doppelseitigen Treppe.
    Roxane wandte sich um. Irgendetwas an der Fassade des kleinen Gebäudes erinnerte sie an die Zeichnungen, die sie von amerikanischer Architektur gesehen hatte. Das Haus war in einem übertriebenen Kolonialstil gebaut und passte nicht zu der Umgebung. Da sie wie immer an solchen Dingen interessiert war, wollte sie sich gerade danach erkundigen, als sie Unitys Ayah in der Kutsche der Stantons direkt vor dem Haus entdeckte. Und auf dem Gehsteig daneben stand Unity. Ihr Gesicht wirkte verwirrt, war irgendwie zerknittert und rot und geschwollen, so als würde sie … weinen!
    »Unity!«
    Als das Mädchen aufsah, glitzerten die Sonnenstrahlen in den Tränen, die ihm über die Wangen liefen. Roxanes Erscheinen löste offensichtlich zuerst Verwirrung und dann Entsetzen in ihm aus.
    »Anhalten!«, rief Roxane. »Halten Sie die Kutsche an!« Sie sprang auf die Straße, noch bevor die Räder stillstanden, und stolperte über den Saum ihres Kleids. Rasch hastete sie hinüber, packte das Mädchen an beiden Schultern und beugte sich zu Unitys Gesicht hinunter.
    »Was ist los, Unity? Was ist passiert? Ist jemand verletzt?«
    Unity schnappte nach Luft und schüttelte den Kopf. Frustriert und verängstigt unterdrückte Roxane das Verlangen, das Mädchen zu schütteln.
    »Was ist los?«, wiederholte sie sanfter. »Unity, geht es um …« Sie sah dem Mädchen in die Augen. »Geht es um Captain Harrison? Sag es mir, Unity. Sag mir, was passiert ist!«
    Unity begann wieder zu schluchzen, als Roxane hinter sich Schritte am Treppenabsatz hörte. Sie ließ das Mädchen los, drehte sich um und sah nach oben. Vor ihr stand Collier in der Abendsonne. Sein dunkles Haar stand über seiner Stirn nach oben ab; offensichtlich war er sich mehrmals mit den Fingern durch den dichten Schopf gefahren. Seine Uniformmütze hatte er fest unter den Arm geklemmt. Seine Kinnmuskeln waren angespannt – wie Roxane wusste, war das ein Zeichen für Zorn –, wohingegen sein Teint ungewöhnlich blass war. Und seine Augen, diese wunderschönen, ausdrucksvollen schiefergrauen Augen waren hart, kalt und blicklos.
    »Collier?«
    Er blinzelte und richtete seinen Blick zuerst auf Unity. Seine unteren Lider waren feucht. Bevor er sich Roxane zuwandte, blinzelte er noch einmal. Ihr Herz begann

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