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Palast der Suende - Roman

Palast der Suende - Roman

Titel: Palast der Suende - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Smith
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unsichtbar sein.«
    Der Mann lächelte. »Ganz im Gegenteil.«
    Aus der Nähe war er noch attraktiver, als sie zunächst angenommen hatte. Die Augen unter den buschigen Brauen waren dunkel und blickten intelligent und lebhaft, und ab und zu blitzte der Schalk in ihnen auf. Aber es war sein Mund, der Claires Aufmerksamkeit fesselte. Die Lippen waren voll und sinnlich geschwungen, ohne daß er feminin wirkte. Es mußte eine Wonne sein, sie zu küssen. Er lächelte wieder, als ob er ahnte, woran sie gerade dachte.
    »Stuart MacIntosh.« Er hielt ihr seine Hand hin.
    Sie drückte seine Hand. »Claire Savage. Freut mich. Sie kennenzulernen.« Seine Hand fühlte sich gut an, gleichzeitig sanft und kräftig. »Entschuldigen Sie, wenn ich so überrascht war, als ich Sie sprechen hörte. Ich habe Sie für einen Italiener gehalten.«
    »Bin ich auch.« Er grinste, als er die Zweifel in ihrem Gesicht sah. »Wenigstens Halbitaliener. Ich bin in Paisley aufgewachsen.«
    »Ah, das erklärt Ihre Aussprache.«

    Giancarlo kam mit dem Bier, und Claire nahm dankbar einen Schluck. Sie sah, daß der Mann auf den Schaum blickte, der auf ihrer Oberlippe zurückgeblieben war, und wischte ihn rasch weg. »Sind Sie zum Vergnügen hier, Mr. MacIntosh, oder geschäftlich?«
    »Geschäftlich.« Er trank auch einen Schluck. »Bitte, nennen Sie mich Stuart. Und Sie?«
    »Vergnügen.«
    »Allein?«
    »Mit einer Freundin.«
    Er sah ihr in die Augen, als wollte er dort etwas Bestimmtes lesen. »Sind Sie zum erstenmal in Venedig?«
    »Nein, ich bin schon mehrere Male hier gewesen.«
    »Schade. Es geht nichts über die aufregende Freude eines ersten Besuchs.«
    Claire schwieg, als sie einen Schmerz spürte, den sie lange begraben wähnte. Ihre Flitterwochen waren der erste Besuch in Venedig gewesen. Stuart beobachtete sie genau, und Claire war froh, als der Barmann mit Stuarts Rechnung kam.
    »Grazie, Giancarlo.«
    Claire hatte den Eindruck, daß Stuart eine bekannte Persönlichkeit sein mußte, weil der hochnäsige Barmann ihn so prompt bediente. Sie sagte ihm das.
    Als Stuart lachte, veränderte es ihn. Die Fältchen um die Augen, die sanfteren Linien des ganzen Gesichts. »Nein, nein, überhaupt nicht. Ich verbringe nur viel Zeit hier. Deshalb kennt er mich – das ist alles. Aber sagen Sie« – er wurde wieder ernst, die Fältchen verschwanden so rasch, wie sie gekommen waren – »diese Freundin von Ihnen … kommt sie auch ohne Sie zurecht?«
    Claire errötete, überrascht von der Frage. Sie hatte nur
mit einem halben Ohr zugehört, gefangen von dem melodiösen Schnurren seiner Stimme. »Warum?«
    »Ich wollte Sie fragen, ob Sie morgen abend mit mir in die Oper gehen möchten. Es sei denn, da gibt es jemanden in Ihrem Leben, der…« Er brach ab, nahm ihre Hand und fuhr mit dem Daumen über die Stelle, an der ihr Ring gesteckt hatte. Es war eine intime Geste, und Claire spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Sie zog ihre Hand zurück.
    »Ich weiß nicht...«
    Sein intensiver Gesichtsausdruck löste sich in ein Lächeln auf. »Ich will Ihre Pläne nicht durcheinanderbringen«, sagte er. »Wenn Sie glauben, daß Ihre Freundin etwas dagegen hat …«
    »Nein, das ist es nicht«, sagte Claire schnell. »Cherry wäre froh, wenn sie mich einen Abend los ist. Es ist nur...« Sie überlegte. Die sexuellen Abenteuer mit Nick Fisher und dann mit dem anonymen Italiener hatten ihr gefallen, aber sie war nicht bereit, jetzt schon eine neue, tiefere Beziehung zu beginnen. Es war noch zu frisch, daß Sean ihr so weh getan hatte. Aber das konnte sie Stuart natürlich nicht alles erklären.
    Er sah sie die ganze Zeit an.
    Sie hob die Schultern, und sie spürte, wie alles Sträuben von ihr wich. »Ich würde gern mit Ihnen in die Oper gehen.« Sie hob ihr Glas und trank das Bier aus, und dabei schaute sie auf ihre Uhr. »Oh, Himmel, ich wußte gar nicht, daß es schon so spät ist. Cherry wird glauben, ich sei gekidnappt worden.« Sie legte einen Schein neben das Glas, und sie wurde rot, als sie bemerkte, daß ihr Begleiter auf den zerknüllten Schein sah.
    Ihre Blicke trafen sich, und plötzlich kam Claire die
Erkenntnis – es war absolute Gewißheit -, daß er wußte, warum der Geldschein so zerknüllt war. Sie schluckte aufgeregt und schalt sich eine Närrin. Es war unmöglich.
    »Wo wohnen Sie?« fragte er. In seiner Stimme hörte sie nichts außer höflicher Neugier.
    »Im Metropole.«
    »Soll ich Sie morgen abend um halb sieben abholen? Danach können

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