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Palast der Suende - Roman

Palast der Suende - Roman

Titel: Palast der Suende - Roman
Autoren: Jan Smith
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mitten im Schritt verharren. »Mir scheint, Sie brauchen eine Nachhilfe in Höflichkeit!«
    Sie war sprachlos, aber nur für einen Moment. »Ich?« brach es aus ihr heraus. »Sie müssen wohl wirklich ein Scherzbold sein! Ausgerechnet Sie müssen von Höflichkeit sprechen!« Sie wirbelte herum, und dabei knickte ihr Fuß zum. »Autsch! Verdammt, daran sind Sie schuld!«
    Der Amerikaner schaute sie mitleidlos an, schaute dann auf ihren Fuß. »Sie bluten.«
    Cherry sah betroffen, daß es stimmte. Ein Riemchen der Sandale hatte ihre Haut geritzt. »Das ist auch Ihre Schuld!«
    »Wirklich?« In den grauen Augen des Mannes, bisher so sanft und unschuldig, waren Wolken aufgezogen.
»Vielleicht können Sie mir erklären, wie Sie auf diesen Gedanken kommen.«
    Sie ignorierte ihn und hoppelte auf einem Bein zu den Stufen zum Arsenal. Plötzlich fühlte sie sich den Tränen nahe, was sie noch wütender machte. Überrascht stellte sie fest, daß der Mann ihr folgte. Er kniete sich neben sie und untersuchte den Fuß. Er öffnete die Sandale und nahm sie von ihrem Fuß, dann fuhr er behutsam über die verletzte Stelle.
    Ihre Blicke trafen sich wieder, und diesmal sah sie unverkennbar den Spaß in seinen Augen; die Wolken waren vertrieben. Er grinste und ließ die Sandale von seinem kleinen Finger baumeln. »Wenn man auf Besichtigungstour geht, sollte man sich ein geeigneteres Schuhwerk zulegen.«
    Jetzt war Cherrys Geduldfaden endgültig gerissen. »Was bilden Sie sich ein? Ich wäre nicht in diese Lage geraten, wenn Sie mich nicht in die Irre geschickt hätten!«
    Der Spaß verschwand aus seinen Augen. »Wovon, zum Teufel, reden Sie?«
    Sie sprang auf und riß ihm die Sandale aus der Hand. »Als ob Sie das nicht wüßten!«
    »Hallo. Was ist denn hier los?«
    Cherry wollte sich gerade an den Neuankömmling wenden und ihm sagen, daß er sich um seine eigenen Dinge kümmern sollte, brach aber sofort ab. Nach einer Weile bemerkte sie, daß ihr Mund weit offenstand. Sie klappte ihn zu.
    Als der Amerikaner sich zu dem Mann umdrehte, der zu ihnen getreten war, hätte er auch vor einem Spiegel stehen können.
    Der Maler grinste, aber sein Spiegelbild reagierte verhaltener.
»Ich sehe, daß du den Weg gefunden hast«, sagte er.
    Cherry sah von einem zum anderen und wußte nicht, was sie sagen sollte. Die gleichen grauen Augen, die gleichen kurz geschnittenen blonden Haare.
    Der Maler trug ein blaues Hemd und hielt einen Zeichenblock unter dem Arm, während der andere einen Pulli im gleichen Blauton trug. Allmählich dämmerte es Cherry
    »Ich schätze, wir sollten uns besser vorstellen«, sagte der Neue. »Ich bin Quaid, und dies ist mein Zwillingsbruder Harper. Aus dem, was ich von eurer Unterhaltung gehört habe, schließe ich, daß ihr euch schon kennengelernt habt.«
    Der andere Mann errötete wie ein Teenager.
    »Es tut mir leid, wenn ich kurz angebunden mit Ihnen war.« Er zeigte entschuldigend zum Himmel. »Ich wollte das Licht einfangen. Es verändert sich so rasch.«
    Weil sie nicht länger in vier beunruhigende Augen sehen wollte, beugte sich Cherry vor, um sich die Sandale wieder anzuziehen. Sie kam sich wie eine Obernärrin vor. Wenn ihr Fuß nicht so schmerzte, hätte sie lachen können.
    Harper – oder war es Quaid? – sagte kläglich: »Es tut mir wirklich leid. Ich wußte nicht, daß Ihr Fuß blutete. Sonst wäre ich nicht so schnell gegangen.«
    Sie stand auf, belastete den Fuß und verzog das Gesicht. »Es ist schon in Ordnung.«
    »So sieht es aber nicht aus«, sagte der andere Mann und sah kopfschüttelnd auf die blutbesudelte Sandale. »Können Sie überhaupt gehen?«
    »Ja, es geht.«

    Er hielt ihr seinen Arm hin. »Ich bringe Sie zu Ihrem Hotel, wenn Sie möchten.«
    »Kommt nicht in Frage«, warf der andere Zwilling ein. »Ich werde das tun, denn schließlich habe ich sie ja in diese Lage gebracht.«
    Sein Zwillingsbruder warf ihm einen wütenden Blick zu, sagte aber nichts.
    »Hören Sie, ich komme allein zurecht.« Cherry war verwirrt und verlegen. »Glauben Sie, ich brauche keine Hilfe, aber trotzdem vielen Dank.«
    Sie warf den Kopf zurück und schritt mit soviel Würde davon, wie sie aufbringen konnte, ohne aufzuschreien, denn das dünne Lederband der Sandale rieb sich immer wieder an der verletzten Haut.
    Als sie die erste Straßenecke erreicht hatte, konnte sie nicht widerstehen und blickte über die Schulter zurück. Die beiden Amerikaner standen noch da und starrten ihr nach. Wie zwei Statuen in
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