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Palast der Suende - Roman

Palast der Suende - Roman

Titel: Palast der Suende - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Smith
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erst an diesem Morgen entstanden war. Mit den gedämpften Blau- und Rosatönen wirkte es wie ein Original aus dem späten Mittelalter.
    »Phantastisch«, stieß Claire hervor.
    »Es gefällt Ihnen?«
    Claire drehte sich nach der Stimme um und stand vor einem ausgemergelten jungen Mann mit durchdringenden dunklen Augen und einem Ziegenbärtchen. Er sah kritisch zum Fresko hin und wischte sich die Hände am Overall ab.
    »Es ist nicht so gut, wie es mir vorschwebte, aber ich habe doch keine Zeit. Ein paar Tage mehr, und ich hätte ihm mehr Tiefe, mehr Gefühl geben können.«
    »Nein, nein«, sagte Claire. »Es ist sehr gut. Und durch die Linse der Kamera wird es einfach wunderbar aussehen.« Sie streckte die rechte Hand aus. »Sie müssen Pietro Corolla sein.«
    »Der bin ich.« Er nahm ihre Hand, drückte sie schwach und verbeugte sich. »Und Sie sind Signora Savage. Darf ich sagen, daß Sie exakt so schön sind, wie mein Freund mir gesagt hat?«
    Claire warf Ewan einen verlegenen Blick zu, aber Ewan hüstelte nur und schaute in eine andere Richtung. »Ich muß mich noch um einige andere Dinge kümmern«, sagte er. »Wir sehen uns später noch.«
    Sie wartete, bis er gegangen war. »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen für Ihre Hilfe danken soll, Mr. Corolla.«
    »Bitte, nennen Sie mich Pietro.« Er ließ seinen ebenmäßigen weißen Zähne sehen. »Ich war froh, daß ich aushelfen konnte. Ein Freund von Stuart MacIntosh ist mein Freund. Er und ich kennen uns schon eine lange Zeit. Wir haben gemeinsam das College besucht.«

    »Ein Kunst-College?« Claire war nie auf die Idee gekommen, daß Stuart ein Künstler sein könnte.
    »Ja. Zuerst in Roma, dann in Firenze.«
    »Und haben Sie sich von Anfang an auf Fresken spezialisiert?« fragte Claire.
    »Großer Himmel, nein!« Pietros Augen schauten sie schelmisch an. Ich bin ein – wie sagen Sie? – Hans Dampf in allen Gassen. Ich male Landschaftsbilder. Porträts, wenn ich Aufträge dazu erhalte, und fotografiere auch. Ich nehme jeden Auftrag an, der Brot auf meinen Tisch bringt.« Er hob die Schultern und bemerkte mit Vergnügen, daß ihre Wangen sich leicht gerötet hatten, was trotz der Bräune zu sehen war. »Es wird mir eine Ehre sein, Sie zu malen, Signora Savage.«
    Claire versteifte sich. »Ich weiß nicht, was Stuart Ihnen gesagt hat, aber ich habe noch nicht zugestimmt...«
    »Aber Sie müssen! Sie brechen mir das Herz, wenn Sie es nicht tun!« Er senkte die Stimme und trat näher an sie heran. »Außerdem brauche ich das Geld.«
    »Oh.«
    »Pietro! Sa come si fa?«
    Einer der Gehilfen des Malers hatte etwas mit Kreide auf die Leinwand skizziert, schien aber Schwierigkeiten damit zu haben.
    »Momento.« Pietro nahm Claires Hand und küßte sie auf die Fingerspitzen. »Entschuldigen Sie mich, Signora. Manchmal glaube ich, daß ich Affen beschäftige. Aber ich sehe Sie bald wieder – in meinem Studio, ja?«
    Bevor sie antworten konnte, stand er schon vor dem Fresko und schrie auf seine Gehilfen ein.
    »Verdammt«, murmelte Claire. Nach Pietros Geständnis konnte sie sich nicht mehr weigern, sich von ihm malen
zu lassen. Ihr kam flüchtig der Gedanke, daß Stuart ihn geimpft hatte, aber dann schüttelte sie den Kopf.
    »Hallo.«
    Claire war so in Gedanken versunken gewesen, daß sie Sean nicht hatte hereinkommen sehen. Er hatte sie im Gespräch mit dem Künstler gesehen und sich im Hintergrund gehalten, aber dann hatte er sich durchgerungen, auf sie zuzugehen.
    »Oh, hallo.« Schmerzlich wurde sie in die Gegenwart zurückgeholt. Ihr Magen drehte sich wie auf einem Karussell. Sean war lässig in Jeans und schwarzen Stiefeln gekleidet, und er sah gebräunter und schlanker aus, als sie ihn in Erinnerung hatte. Es stand ihm viel besser, dachte sie. Besser, als er verdient hatte. Er stand so nahe vor ihr, daß sie den Kopf heben mußte, um ihn anzusehen.
    »Wie geht es dir?« fragte er.
    »Gut.« Sie lächelte kurz. »Ich bin froh, daß du es rechtzeitig geschafft hast.«
    »Ja, es hat zwar gedauert, aber dann hat’s geklappt.«
    »Hast du alles, was du brauchst?«
    »Ich glaube, ja.« Er fuhr sich mit gespreizten Fingern durchs Haar. Eine vertraute Geste, die bei Claire zu einem trockenen Mund führte.
    »Wie lange, glaubst du, wird der Termin dauern?«
    »Vier Tage, vielleicht fünf. Es ist schwer vorauszusagen. Viel hängt vom natürlichen Licht ab.«
    »Okay, aber sage mir rechtzeitig Bescheid, falls es länger dauern sollte. Ich muß den Kunden warnen, daß wir das

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