Palazzo der Liebe
Sophia den Schmuck als die Kette, die Stephen als die berühmten Padua-Perlen bezeichnet hatte.
In der Hand hielt die unbekannte Schöne eine silberne Karnevalsmaske.
Wie gebannt starrte Sophia auf das Porträt. Vor ihr hing ohne jeden Zweifel das Original zu der Miniatur ihres Vaters, das die Marchesa ihr so dringend abkaufen wollte.
Aber auch Stephen kannte die Miniatur von der Ausstellung im A Volonté ! Warum hatte er nichts dazu gesagt? Benommen schüttelte Sophia den Kopf.
Der einfachste Weg, um eine Antwort auf diese Frage zu bekommen, bestand darin, ihn zu fragen. Also riss sie sich von dem Gemälde los und lief ins Bad, um zu duschen. Das kühle Wasser tat ihr gut und weckte ihre Lebensgeister. Beim Hochstecken der Haare und Anziehen dachte sie unablässig an das Ölbild mit der geheimnisvollen Frau.
Rasch lief sie erneut in Frans Ankleidezimmer, um das Porträt noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Sie stand immer noch mit angehaltenem Atem davor, als hinter ihr eine Stimme ertönte, die sie vor Schreck zusammenfahren ließ.
„Hier versteckst du dich also“, neckte Stephen sie. „Wir haben uns schon gefragt, wo du bleibst.“
Sophia presste eine Hand auf ihr wild klopfendes Herz und drehte sich zu ihm um. Stephen sah in der lässigen hellen Leinenhose und dem seidenen schwarzen Poloshirt einfach umwerfend aus. Seine Miene wirkte etwas angespannt, als strenge es ihn an, in diesem leichten Ton mit ihr zu reden, und ihr Herz flog ihm zu.
„Wie fühlst du dich heute Morgen?“, fragte er, jeder Zoll der perfekte Gastgeber. „Danke, ausgezeichnet“, antwortete sie ebenso höflich und steif. Dann sah sie wieder zu dem Porträt. „Als du die Miniatur in der Galerie gesehen hast, warum hast du mir nichts von diesem Porträt erzählt?“, fragte sie.
„Zu der Zeit wusste ich nicht, ob du davon wusstest. Und falls nicht, wäre es viel zu kompliziert gewesen, dir die Zusammenhänge zu erklären“, erwiderte er ruhig. „Ich selbst hatte bis dahin noch nie etwas von der Miniatur gehört und war völlig überrascht, als Gina sie entdeckte und plötzlich so einen Aufstand darum machte.“
„Aber wenn es dir nicht um die Miniatur ging, warum bist du dann überhaupt in die Galerie gekommen?“
„Um dich zu sehen.“
„Oh! Und warum wollte die Marchesa die Miniatur unbedingt kaufen, wenn das Original doch ohnehin bereits hier im Palazzo hing?“
„Weil sie keine Ahnung davon hatte. Da Paolo eine unüberwindliche Abneigung gegen dieses spezielle Porträt hegte und einmal versuchte, es in angetrunkenem Zustand zu zerstören, bat Fran Roberto, es von der Wand zu nehmen und zu verstecken. Um ihn nicht direkt anlügen zu müssen, erzählte sie Paolo, sie hätte es in andere Hände gegeben. Und nach seinem Tod hängte sie es hier auf.“
„Seltsam, dass er so eine Abneigung gegen dieses zauberhafte alte Porträt hatte“, wunderte sich Sophia.
„Es ist nicht alt. Lass dich nicht durch das Kleid und die Haartracht irritieren. Wenn du genauer hinsiehst, erkennst du, dass es aus der gleichen Zeit stammt wie die Miniatur … und von demselben Künstler.“
Verblüfft trat Sophia noch einen Schritt näher an das Bild heran. „Willst du damit behaupten, dass mein Vater beide Porträts gemalt hat?“
„Zweifellos.“
„Und wie kommt dann dieses hierher?“
„Es ist hier entstanden. Das Bild zeigt Fran als junge Frau.
Jedes Jahr veranstaltete sie zum Carnevale ein Maskenfest im Palazzo, und dieses Bild zeigt sie in einem ihrer Kostüme.“
Dann kannte ihr Vater diese wunderschöne Frau persön lich und hatte es ihr gegenüber verheimlicht, genau wie Ste phen.
„Wenn du wusstest, dass mein Vater und deine Tante sich kannten, warum hast du mir dann nichts davon …?“ Plötzlich kam ihr ein ungeheurer Gedanke. „Unser Treffen in London war gar kein Zufall, oder?“
„Nein.“
„Du bist mir an jenem Abend gefolgt.“
„Ja.“
„Warum?“
Stephen seufzte. „Das ist eine lange und komplizierte Geschichte, in die ich dich auf jeden Fall einweihen wollte, bevor du nach London zurückfliegst. Aber wie auch immer, du musst schrecklichen Hunger haben. Was hältst du davon, wenn wir erst zu Mittag essen, bevor ich sie dir erzähle?“
10. KAPITEL
Ein weiterer wundervoller sonnenwarmer Tag in Venedig. Rosa servierte ihnen den Lunch im Garten des Palazzo, und während sie frisch gebackene Focaccia zu Insalata mista und einer Platte gemischter Frutti di mare aßen, sprachen sie kein
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