Palazzo der Liebe
war sie gar nicht so weit vom Palazzo entfernt, wie sie bisher vermutet hatte. Sophia seufzte erleichtert und schritt zuversichtlich voran. Seltsam, dass ausgerechnet der Ort, von dem sie voller Verzweiflung geflohen war, ihr nun als wahrer Zufluchtsort erschien.
Ja, es handelte sich tatsächlich um die Brücke, und auf der rechten Seite erahnte sie in einiger Entfernung die schwarze bewegte Oberfläche des Canale Grande im Schein der Uferlaternen.
Wenn sie die Augen leicht zusammenkniff, glaubte Sophia hinter den Laternen, die den kleinen Platz auf der anderen Seite der Brücke in ein schwaches Licht tauchten, sogar die Außenleuchte vom Bootshaus des Palazzo della Fortuna auszumachen.
Mit neuem Mut beschleunigte Sophia ihre Schritte, als sie plötzlich ein harter Stoß traf und sie in den dunklen Kanal stürzte. Bevor sich die überraschend kalten schwarzen Fluten über ihr schlossen, stieß sie einen lauten Schreckensschrei aus. Und während sie darum kämpfte, an die Wasseroberfläche zu gelangen, schossen ihr tausend beängstigende Bilder durch den Kopf.
Fand sie in der Dunkelheit überhaupt die Stufen, die sie aufs sichere Ufer führten? Und selbst wenn, lauerte der unsichtbare Angreifer ihr womöglich auf der anderen Seite der Brücke auf, um sein Werk zu Ende zu bringen?
Die einzige Chance, die sie für sich sah, bestand darin, zum Bootshaus des Palazzo zu schwimmen. Doch selbst in ihren besten Zeiten konnte man sie kaum als gute Schwimmerin bezeichnen, und jetzt, behindert durch die Kleidung, schaffte sie es kaum, sich über Wasser zu halten.
Vor allem musste sie Ruhe bewahren.
Die Bugwelle eines Boots, das auf dem Canale Grande fuhr, lief bis in den Rio Castagnio und schwappte Sophia ins Gesicht, sodass sie hustete und spuckte. Erneut schlossen sich die dunklen Fluten über ihr, und salziges Wasser drang in Mund und Nase.
Während sie hilflos mit den Armen ruderte, klatschte es neben ihr. Voller Panik bemühte Sophia sich, wegzukommen, doch keine Sekunde später ergriffen sie starke Arme. Entsetzt versuchte sie, alle zur Verfügung stehenden Kräfte zu nutzen, um sich freizumachen.
„Sophia … Sophia, nicht …“
Wie durch einen dichten Nebel drang Stephens vertraute Stimme nur langsam in ihr Bewusstsein. Sobald sie in seiner Umklammerung erschlaffte, drehte er sich auf den Rücken und bewegte sich mit kräftigen Schwimmstößen in Richtung Ufer.
Sobald sie es erreichten, geriet ein zweiter Mann in ihr Visier, dessen erhobene Taschenlampe die gespenstische Szene in ein schwaches Licht tauchte. Als er die Lampe ausknipste, erkannte Sophia Roberto, der ihr eine Hand entgegenstreckte und ihr an Land half. Kaum hatte sie festen Boden unter ihren Füßen, stemmte Stephen sich an der Kaimauer hoch und stand im nächsten Moment tropfnass neben ihr.
„Danke“, wisperte sie schwach.
„Geht es dir gut?“, fragte er besorgt.
„J…a, alles in Ordnung“, brachte Sophia trotz Zähneklappern hervor.
Stephen beugte sich herab, hob sein Jackett vom Boden auf und legte es ihr um die Schultern. Dann wandte er sich an Roberto. „Der Südeingang ist abgeschlossen und verbarrikadiert, und ich möchte die Frauen nicht unnötig erschrecken. Kannst du Carlo bitten, uns mit dem Boot hier abzuholen? Dann sind wir viel schneller im Palazzo, als wenn wir den Weg durch den Garten nehmen.“
Mit einem knappen Nicken griff Roberto nach einem Walkie-Talkie, das neben der schweren Stablampe an seinem Gürtel hing, und funkte Carlo an.
„Gut, dass die Signorina in Sicherheit ist“, drang eine Männerstimme aus der Lautsprechermuschel. „Ich bin glücklicherweise ganz in der Nähe. In weniger als einer Minute müsstet ihr mich sehen.“
Kaum verebbte die Stimme, da hörten sie in der Ferne ein Motorengeräusch und sahen zwei Scheinwerfer näher kommen. In null Komma nichts legte das Boot an der Kaimauer an, und Carlo half Sophia an Bord. Stephen sprang leichtfüßig an ihre Seite, während Roberto seine Schuhe aufhob und zu Fuß zum Palazzo zurückging.
„Die nehme ich mit und informiere die anderen, dass sie die Suche einstellen können.“
„Danke, Roberto. Wir sehen uns dann morgen früh. Bu ona notte.“
„ Buona notte, Signor Stefano.“
Beim Palazzo half Stephen Sophia beim Aussteigen. „Danke für deine Hilfe, Carlo. Schließt du bitte die Tür sorgfältig hinter dir ab?“
„Selbstverständlich, Signor Stefano“, versicherte der junge Mann in respektvollem Ton. „ Buona notte.“
„ Buona
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