Palazzo der Lüste
dann wollte er dieses Gefühl nicht mehr missen. Zum ersten Mal kam ihm in den Sinn, den Rest seines Lebens an ihrer Seite zu verbringen. Das hatte er sich noch mit keiner Frau vorstellen können.
Seine und Cecilias Lippen pressten sich aufeinander. Zuerst war es ein sanfter Kuss, aber dann triumphierte Leidenschaft über Zärtlichkeit. Sie öffneten ihre Münder und ihre Zungenspitzen berührten einander. Es war, als würde ein Stromstoß durch Cecilias Leib fahren. Sie gab sich willig dem Spiel der Zungen hin.
Nach dem Kuss sahen Nicolò und Cecilia sich um. Zu dem Diener an der Tür hatten sich ein paar andere hinzugesellt und beobachteten sie. Ihre Mienen drückten Freude aus. Nicoló nickte ihnen zu, sie verstanden das als einen Befehl, wieder an ihre Arbeit zu gehen.
»Wir können hier nicht stehen bleiben, Carissima.« Er nahm sie bei der Hand und ging mit ihr nach oben.
Das Blut kreiste durch ihren Körper, und auf einmal konnte sie das Lachen nicht mehr zurückhalten.
»Was haben Sie?«
»Ich bin so froh, dass Sie wieder da sind, Nicolò.« Sie wollte ständig seinen Namen aussprechen, als könnte sie erst dann glauben, dass er tatsächlich neben ihr stand.
»Und ich erst. Niemand kann darüber froher sein als ich«, grinste er, wurde aber gleich wieder ernst, als er hinter sich die Tür zum privaten Salon schloss und sie auf einem Sofa platzierte. Er ließ sich neben ihr nieder und nahm ihre Hand.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll, und das passiert nicht oft. Lanfranchi war heute Morgen persönlich bei mir und hat mir alles gesagt – dass die Befreiung Lucrezias letztendlich Ihrem Mut zu verdanken sei. Meine Freilassung natürlich auch. Ich – ich danke Ihnen.«
»Ich – das …« Das war ein besonderer Augenblick und vor Aufregung brachte sie keinen vernünftigen Satz heraus, konnte sich nur an ihn schmiegen. »Das hätte doch jeder getan.«
»Nicht jeder hätte sich selbst in Gefahr begeben, um mir zu helfen. Sie hatten recht mit meinem Erben, während ich sein wahres Wesen nicht erkennen wollte.«
»Er ist schließlich Ihr Erbe.«
»Ich hätte es wissen müssen, dass seine Freundlichkeit nur eine hohle Fassade war, und er es in Wirklichkeit auf das Vermögen der Capellis San Benedetto abgesehen hatte. Er hat nicht nur Lucrezia entführt und versucht, mir mit dem Handschuh die Sache in die Schuhe zu schieben. Er hat mich auch noch beim Rat der Zehn denunziert und einen seiner Onkel, der Mitglied in der Quarantia ist, gegen mich aufgebracht. Ich hätte leicht verurteilt werden können zu jahrelanger Kerkerhaft, oder ich wäre auf Lebenszeit aus Venedig verbannt worden. Wären Sie nicht gewesen, hätte er sein Ziel erreicht.«
»Ich will das nicht hören«, unterbrach sie ihn. Was redete er denn da – nie wäre das passiert, er war doch unschuldig. »Es war ein Zufall, dass ich gesehen habe, wie der Schurke das Kleid verkaufte. Sonst wären aus meinen ganzen Vermutungen niemals Beweise geworden, und ich hätte mich schön lächerlich gemacht.«
»Schön bist du auf jeden Fall.« Er strich mit einem Finger über ihren Hals und fuhr dann an dem Rand ihres Ausschnitts entlang. Ihr Busen hob und senkte sich heftig, als die Fingerspitze unter den Rand des Stoffes glitt. Sie bog den Oberkörper zurück und krallte ihre Hände gleichzeitig in seine Schultern. »Viel zu schön«, murmelte er an ihrem Hals.
»Wofür zu schön?« Ihre Stimme klang heiser vor Aufregung.
Er beantwortete ihre Frage nicht, sondern streichelte weiter ihr Dekolleté. Selbstvergessen fuhr sein Finger über ihre Haut. »So schön. Und ich habe Sie nie gefragt, seit ich Sie damals im Wald gefunden habe – ich meine, wir wissen beide, Sie sind nicht meine Cousine, sind nicht aus Alexandria nach Venedig gekommen. Sie überwältigen bewaffnete Räuber. Wer sind Sie wirklich, Cecilia?«
Er vermutete ein dunkles Geheimnis in ihrer Vergangenheit, einen Mann, vor dem sie auf der Flucht war. Alle seine Nachforschungen waren bisher im Sande verlaufen – auch Rom war keine Spur gewesen, aber er wollte sie mehr denn je für sich.
Cecilia hatte auf diese Frage gewartet und sie gleichzeitig gefürchtet. Sie biss sich auf die Unterlippe und ihr Vorsatz, niemanden etwas von ihrer Zeitreise zu verraten, geriet beträchtlich ins Wanken. Sie sehnte sich danach, ihr Geheimnis mit jemandem zu teilen, und focht einen harten inneren Kampf aus. Er spiegelte sich auf ihrem Gesicht
Weitere Kostenlose Bücher