Palazzo der Lüste
dich nicht drängen. Verzeihe mir.« Er hielt ihr ein Spitzentaschentuch hin.
Sie putzte sich die Nase und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Es gibt nichts zu verzeihen. Es ist alles meine Schuld, ich …«
Sie brach ab, weil er ihr sanft die Tränen von den Wangen küsste. Er verschwieg, wie sehr ihre Worte ihn schmerzten – nie wieder würde er sie drängen.
»Ti amo, Nicolò«, flüsterte sie in sein kunstvoll gebundenes Halstuch aus Dresdner Spitze. Es war so leise, dass sie sich nicht sicher war, ob er sie gehört hatte.
Er hatte und kam sich vor, als hätte noch nie ein Mann größeres Glück erfahren. Sie schickte ihn durch Höhen und Tiefen.
»Weine nicht. Ich quäle dich nicht mehr mit der Zukunft. Lass uns die Gegenwart genießen«, flüsterte er ihr ins Ohr.
Zwei Finger legte er unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht zu sich empor. Sogar mit vom Weinen geröteten Augen sah sie wunderschön aus. Sanft glitten seine Lippen über ihr Gesicht, bis sie auf ihren Lippen verweilten.
Der Kuss endete erst nach einer kleinen Ewigkeit, und Cecilia schenkte ihm ein Lächeln unter Tränen. Sie fühlte sich geliebt, und sie liebte ebenfalls.
»Wann forderst du deinen Gewinn ein?«
»Meinen Wettgewinn. Du möchtest wohl gleich bezahlen?«
»Genau.«
»Piccolina, behalte deine Schulden noch einige Tage. Ich will ein paar Vorbereitungen treffen«, lachte er und stupste sie auf die Nasenspitze.
*** Der nächste Morgen brachte der Casa Capelli zunächst einen Besuch Lucrezias und ihrer Eltern. Donna Sofia betrat gemeinsam mit Cecilia den Salon, in dem gewöhnlich die Morgenbesucher empfangen wurden. Sie trug ein zauberhaftes zitronengelbes Morgenkleid mit Spitzenbesatz in derselben Farbe – es harmonierte hervorragend mit ihrem braunen Haar. Cecilia bewunderte den erlesenen Geschmack Donna Sofias. Sie würde sich nie trauen, ein so auffälliges Gelb zu tragen. Nicolò saß den Besuchern steif auf einem Stuhl gegenüber.
Lucrezias Mutter begann sofort, sich mit einer weitschweifigen und konfusen Rede, die jedermann ermüdete, bei Cecilia zu bedanken. Donna Sofia unterbrach nach einer Weile die nicht enden wollende Rede, indem sie geräuschvoll ihren Fächer aufklappte und über dessen Rand hinweg sagte: »Nur kein weiterer Dank. Wir sind alle froh, dass es so gekommen ist.« Sie setzte sich neben Maddalena Trebiso und sagte leise: »Haben Sie schon gehört, Emilia Arimondo soll in anderen Umständen sein – und dabei ist ihr Gatte am portugiesischen Hof. In den Salons wird eifrig geredet, wer der Schuldige ist. Ich bin mir sogar sicher, die schlimmen Männer haben Wetten deswegen abgeschlossen.«
Sie schoss ihrem Sohn über den Fächer hinweg einen so mutwilligen Blick zu, dass Cecilia nicht mehr anders konnte, als über das Ablenkungsmanöver zu lächeln. Nicolò erging es ebenso, und auch Lucrezia schloss sich verständnisvoll an. Sie kannte ihre Mutter.
Lucrezia setzte sich mit ihrem wasserblauen neuen Kleid neben Cecilia.
»Erlauben Sie mir ein paar Worte?«, flüsterte sie errötend.
»Nur, wenn es kein weiterer Dank ist.«
»Ich – meine Mutter hat mir aufgetragen, es zu sagen.«
»Wirklich, liebe Freundin«, die Worte kamen ihr ganz natürlich von den Lippen, » ich möchte es nicht hören. Ich wäre sogar froh, wenn nicht ganz Venedig von meinem Anteil bei der Aufklärung dieser Angelegenheit erfahren würde. Sie wurden durch glückliche Umstände befreit, dabei wollen wir es belassen.«
»Wie Sie wünschen«, gab Lucrezia nach und war darüber gar nicht einmal so unglücklich. Dann fügte sie aber noch mutig hinzu: »Ich bin so froh, dass Sie es taten, damit ich aus diesem Haus fort konnte.«
»War es schlimm?«.
»Die Köchin hat mir dreimal in der Woche mit Pilzen gefüllte Eierkuchen serviert, und ich hatte nur drei schreckliche Kleider, die an mir herunterhingen wie Säcke«, entrüstete sich Lucrezia.
Sie zog dabei eine Schnute, und Cecilia konnte nicht anders, sie musste laut lachen. Als sie das junge Mädchen in der Oper kennengelernt hatte, hatte sie es für ein naives Ding gehalten, das nichts anderes im Kopf hatte, als sich einen Mann zu angeln, jetzt erkannte sie, dass Lucrezia auch Humor hatte. Und nachdem ihr Nicolò quasi einen Heiratsantrag gemacht hatte, hatte Cecilia auch ihre Furcht verloren, die andere könnte ihn ihr wegschnappen.
Nachdem sich der Besuch verabschiedet hatte, blieb sie mit Donna
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