Palazzo der Lüste
lächelte.
Die Spitze der Peitsche bohrte sich weiterhin in den Stoff. Sie hatte das Gefühl, er spielte auf ihr wie auf einem Klavier.
»Wenn ich Ihnen nicht zu Willen bin, werden Sie die Peitsche an mir erproben?« Ihre Stimme zitterte. Der Gedanke war absurd, aber bei ihm war alles möglich.
»Ich werde nichts tun, was Sie nicht wünschen. Das verspreche ich. Vorerst müssen wir uns aber ihrem Unterricht widmen.« Danach hatte er begonnen, sie über die Patrizier Venedigs auszufragen.
»Sie müssen es sich merken. So schwer ist das nun wirklich nicht«, ermunterte er sie.
Für ihn war das leicht, er war damit aufgewachsen; für sie dagegen war alles neu. Der Adel in Venedig setzte sich anders zusammen, als das überall sonst der Fall war. Es gab keine Titel wie Marchese, Conte oder Duca, alle Patrizier Venedigs nannten sich nur Nobilhomo oder Nobildonna. Eigentlich ganz einfach, hatte Cecilia zunächst gedacht, nur war das nicht alles: es gab sehr wohl Unterschiede zwischen ihnen, und wer in Venedig bestehen wollte, musste sie genau kennen.
Gerade war Nicolò dabei, ihr Wissen abzufragen. Sie runzelte die Stirn und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, während sie überlegte, was er ihr vor zwei Tagen über die Capellis erzählt hatte. Dabei sah sie so reizend aus, dass ihm ganz andere Gedanken zu einem Zeitvertreib kamen, statt sie abzufragen.
»Die Capellis«, begann Cecilia langsam, »gehören zu den ältesten Patriziergeschlechtern Venedigs.«
»Zu den alten. Die ältesten dann doch nicht.«
»Auf jeden Fall gehören sie zu den Geschlechtern, die schon vor der Serrata Patrizier waren.«
Die Serrata war ein wichtiger Einschnitt für die Patrizier Venedigs gewesen. Im Jahr 1297 wurde ein Gesetz erlassen, das die Mitgliedschaft im großen Rat der Stadt – das wichtigste Privileg der venezianischen Patrizier – für neue Familien geschlossen hatte. Seitdem war die Ernennung in den Patrizierstand von besonderen Verdiensten um die Löwenrepublik oder der Zahlung einer bedeutenden Geldsumme abhängig. Die Unterscheidung zwischen altem und neuem Patriziat war geboren, und jeder Patrizier wusste genau, wer von den anderen wohin gehörte. Bei den alten Familien gab es noch die Unterscheidung in die ältesten und die nicht ganz so alten, und darauf hatte Nicolò mit seiner Bemerkung abgezielt.
»Das Geschlecht der Capelli teilt sich auf jeden Fall in zwei Häuser auf. Das von San Benedetto und das von San Bartolomeo«, fuhr Cecilia fort.
Das waren die Pfarrkirchen, in deren Bezirke die Capelli wohnten, und deren Namen zur besseren Unterscheidung an die Familiennamen angehängt wurden. Eine sehr sinnige Maßnahme fand sie, aber bei weit verzweigten Familien wie den Contarini stieß sie an ihre Grenzen – dann wurden zur Unterscheidung weitere Namenszusätze angehängt.
»Sie wissen es doch.« Capelli spendete ihr Beifall.
»Es wird mir nie so in Fleisch und Blut übergehen wie Ihnen.«
»Es muss. Sie wollen es doch gut machen mit unserer Wette.« Er trat dicht neben sie und strich mit einem Finger an ihrem Rückgrat entlang.
Alle Gedanken an Venedigs Patriziergeschlechter verflüchtigten sich. Sie genoss eine Welle sinnlichen Gefühls, die sein streichelnder Finger in ihr auslöste. Sie wollte mehr und gleichzeitig auch nicht. Da war Stefano in der Zukunft. Hatte sie nicht die Pflicht, ihm auch unter ungewöhnlichen Umständen treu zu sein? Sein streichelnder Finger gab ihr die Antwort.
Leider beließ er es bei dieser vorsichtigen Berührung, sagte statt dessen: »Stehen Sie auf!« Gleichzeitig griff er nach der Reitpeitsche.
Verwundert gehorchte Cecilia. Sie glättete ihren in einem Grünblau schillernden Rock. Je nachdem, wie das Licht auf ihn fiel, zeigte er die Farbe eines idyllischen Sees oder die eines aufgewühlten Meers. Nach dem lindgrünen Kleid vom ersten Tag hatte Nicolò ihr noch dieses und eines in einer Pfirsichfarbe zukommen lassen. Bei dem letzteren war sie zunächst skeptisch gewesen, ob die Farbe zu ihren roten Haaren passte. Ein Blick in den Spiegel hatte sie vom Gegenteil überzeugt.
Nicolò setzte sich im Reitersitz auf den Stuhl, von dem sie sich gerade erhoben hatte, und stützte sich lässig auf der Lehne ab.
»Da ist es schon wieder.« Mit zusammengezogenen Augenbrauen schaute er zu ihr auf.
Sie zuckte zusammen. Was war schon wieder? Hatte sie einen Fleck auf dem Rock, oder war der Saum ausgerissen, weil
Weitere Kostenlose Bücher