Palazzo der Lüste
beschuldige dich nicht des Diebstahls.« Das musste für ein Dienstmädchen im achtzehnen Jahrhundert eines der schlimmsten Dinge sein, die ihm passieren konnten. »Es ist nicht so wichtig. Du kannst dann gehen, ich brauche dich nicht mehr.«
»Wie Sie wünschen.« Das Mädchen knickste und huschte aus dem Zimmer.
Cecilia versuchte der Stofffülle Herr zu werden. Sie wusste nicht recht, was sie zuerst anziehen sollte. Das sah viel komplizierter aus, als in eine Bluse und eine Jeans zu schlüpfen.
»Donna Cecilia, ich habe etwas für Sie.« Der Venezianer schlenderte ins Zimmer, er hielt ein Buch in der Hand.
Cecilia schrie auf und hielt sich den Stoff vor den Körper.
»Ich … bitte …«
Höflich drehte er sich zur Seite, betrachtete sie aber weiter aus dem Augenwinkel. »Wo ist das Mädchen?«
»Gianna? Ich habe sie weggeschickt.«
»Hat sie was falsch gemacht, sich unanständig aufgeführt?«
»Ich komme ohne sie zurecht.« Cecilia war sich dessen nicht so sicher, aber sie wollte sich keine Blöße geben.
»Das Mädchen soll Ihre Zofe sein, Ihnen beim Ankleiden helfen, Sie frisieren, ihre Garderobe in Ordnung halten. Jede edle Dame hat eine Zofe, manche mehr als eine, und meine Verwandte aus Alexandria natürlich auch.«
Es war ihm ernst mit dem Plan, und mit der Zofe hatte er auch recht – so wie er immer recht gehabt hatte, seit sie angekommen war. Es war Zum-Aus-Der-HautFahren! Sie wollte es ihm zeigen! Ohne auf ihn zu achten, zog sie sich das Kleid bis hoch zu den Schultern. Das Hemd schob sich vor der Brust zusammen.
»Ich werde das Mädchen zurückholen, damit sie Ihnen zur Hand geht. Dann würde ich auch gerne mein Ankleidezimmer aufsuchen und mich passend herrichten.«
Erst jetzt bemerkte Cecilia, dass er immer noch die gleiche Kleidung wie gestern Abend trug, nur die Perücke fehlte. Das Blondhaar hatte er nicht besonders elegant zu einem Zopf zusammengebunden, es sah aus, als hätte er es ohne Spiegel gemacht.
»Natürlich.« Wieder gab sie ihm nach.
Er ging offenbar davon aus, dass sie bei seinem Verwirrspiel mitmachte, aber wenn sie sich ein Kleid vor den Leib halten musste, war sie nicht in der rechten Position, mit ihm zu diskutieren.
Gianna hatte ihr schnell und geschickt in das Kleid geholfen. Allein wäre Cecilia nie mit den ganzen Spitzen, Haken und Ösen zurecht gekommen. Das Mädchen hatte ihr auch die Haare aufgesteckt.
»So schönes Haar, Signora«, hatte sie bewundernd gesagt.
Cecilia kam sich vor wie eine Prinzessin, als sie sich vor dem Spiegel drehte. Der Reifrock schwang sanft um ihren Leib, er war nicht besonders breit, dennoch kam sie sich ungemein voluminös vor.
Sie ging in den vorderen Salon, wo Capelli auf einem Sofa lümmelte und das Kinn sinnend in die Linke gestützt ins Nirgendwo schaute. Er stand nicht auf bei ihrem Eintritt, sah nicht einmal hoch.
»Wo sind mein Halsband und meine anderen Kleidungsstücke?« Sie stellte sich breitbeinig vor ihn hin – leider war unter dem weiten Rock nichts davon zu sehen – und stemmte die Hände in die Hüften.
»Wollen Sie das wieder anziehen?«
»Ich mag es nicht, wenn meine Fragen mit einer Gegenfrage beantwortet werden. Ich möchte eine Antwort.«
»Mir scheint, Sie haben nicht gut geschlafen«, seufzte er. »Ich habe es genommen und werde es für Sie verwahren. Es geht nicht, dass Sie einen wertvollen Stein einfach so auf dem Tisch liegen lassen, als wäre er aus billigem Glas.«
Es ist ein billiger Glasstein, wollte sie sagen, aber als sie den Mund öffnete, sprach er weiter: »Ich werde ihn mit dem Familienschmuck verwahren und Ihnen den Stein jederzeit geben, wenn Sie es wünschen. Sind sie damit zufrieden?«
Lieber hätte sie die Sachen bei sich gehabt, aber mit welcher Begründung sollte sie das fordern. Deshalb nickte sie.
»Gut. Dann können wir uns vielleicht Wichtigerem widmen.« Er nahm ein neben ihm liegendes Buch und hielt es ihr hin.
»Das wird Ihre letzten Bedenken zerstreuen, Donna Cecilia. Meinem Vater hat es einst bei seiner Reise in den Osten gute Dienste geleistet.«
Sie nahm das Buch und besah es. Es war eine Beschreibung der Stadt Alexandria und ihrer Umgebung. Er dachte wirklich an alles.
»Ihr Vater war in Alexandria?«
»Er ist bis nach Jerusalem gekommen.«
Sie musste lächeln. Auf einmal war die Entscheidung ganz leicht. Sie wollte nach Hause, aber solange sie keinen Weg dorthin
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