Palazzo der Lüste
mit ihren Gedanken einmal so weit war, und das Weinglas geleert hatte, wurde sie ruhiger. Sie strampelte die Decke von den Füßen und stand auf.
Da war sie in einem prächtigen Palazzo und vor lauter Schreck über eine Statue hatte sie gar nichts davon gesehen. Sie begab sich auf Entdeckungstour. Ihre Zimmer bestanden aus einem Salon, einem Schlafzimmer und einem winzigen Ankleidezimmer. Dort entdeckte sie vier neue Kleider und alles, was dazu gehörte. Eine Schatulle auf dem Toilettentisch im Schlafzimmer enthielt zwei Ringe, ein Armband und eine paar Schmuckkämme für ihr Haar.
Die Räume im zweiten Stock standen denen im ersten in Punkto Pracht nicht nach. Sie fand einen Abtritt, aber kein Badezimmer, keine Dusche, keine Badewanne. Leise seufzte sie und wanderte weiter durch einen hohen Flur. Durch eine halb geöffnete Tür hörte sie Nicolò mit jemandem reden. Sie spähte in den Raum hinein und sah zunächst nur raumhohe Bücherregale, die wenigstens zwei Wände bedeckten. Sie ging hinein und stellte fest, dass auch die anderen beiden Wände von Bücherregalen bedeckt waren. Sie hatte die Bibliothek gefunden. Nicolò saß auf einem Sofa und sprach mit einem in einen dunkelblauen Rock gekleideten Mann. Bei ihrem Eintritt stand er sofort auf und kam ihr entgegen.
»Es geht Ihnen wieder besser, Donna Cecilia.« Er zog ihre Hand an seine Lippen. »Das freut mich.«
Der andere Mann zog sich nach einer Verbeugung zurück.
»Sie sehen aus, als hätten sie eine erfrischende Stunde geschlafen.«
»Das habe ich gar nicht. Ich habe mich im Haus ein wenig umgesehen. Das durfte ich doch?«
»Natürlich Signora. Dies ist Ihr Zuhause, solange Sie es wünschen.« Er küsste ihre Handinnenfläche. »Soll ich Ihnen noch den Rest zeigen«
Cecilia nickt, und sie schlenderten durch das Haus. Dabei entdeckte sie, dass er eine Wohnung auf der einen Seite der Casa und seine Mutter eine auf der anderen hatte.
»Sie haben Ihre Räume in der Wohnung meiner Mutter«, erklärte Nicolò.
Ihr fehlten zunächst die Worte. Er brachte sie in der Wohnung seiner Mutter unter.
»Aber das … ich dachte … Warum?«, stotterte sie schließlich.
»Carissima, was haben Sie gedacht?« Seine Lippen waren bei diesen Worten ganz nah an ihrem Ohr. »Mama wird über Ihre Tugend wachen. Was sollen die Leute denken. Für unsere Spiele gibt es eine geheime Tür zwischen Ihren Räumen und meiner Wohnung.«
Er gab ihr einen Kuss aufs Ohr, und sie stieß die angehaltene Luft aus. Sehr sinnig so eine geheime Tür.
*** An ihrem ersten Morgen in der Casa Capelli durchstreifte Cecilia gleich nach dem Frühstück noch einmal die Räume im ersten Stock. Sie wollte sich deren Kunst in Ruhe zu Gemüte führen und stand gerade im Ballsaal und bewunderte die Wand- und Deckengemälde, die ihr von Veronese zu stammen schienen. Dabei drehte sie einen der beiden Ringe aus der Schatulle mit einem Smaragd um den Ringfinger ihrer linken Hand, als ein Diener eintrat.
»Signora Capelli, der Signore Capelli Santissimi Apostoli wartet im vorderen Salon.«
Er gehörte zum weniger reichen und bedeutenden Zweig der Capellis. Solange Nicolò keine Nachkommen hatte, war er der Erbe. Er hieß Eduardo, und er und Nicolò gaben sich nur miteinander ab, wenn es sich nicht vermeiden ließ, erinnerte sich Cecilia. Wenn er zu einem Besuch kam, musste es einen besonderen Grund geben.
»Signore Capelli möchte sicher den Herrn sprechen.«
»Der Herr hat das Haus schon verlassen«, informierte sie der Lakai. »Signore Capelli hat den Wunsch geäußert, die Dame des Hauses zu begrüßen.«
»Donna Sofia?«
»Ich, wage es nicht, sie um diese Zeit zu stören. Wenn Sie ihn empfangen wollen?« Der Diener verneigte sich.
Die Neugierde, Nicolòs Erben zu sehen, siegte über ihre Vorsicht, sie folgte dem jungen Diener.
Eduardo Capelli stand im Salon an den Kamin gelehnt. Er trug einen grünen Rock mit gelben Aufschlägen, dazu hellgrüne Kniebundhosen. Das braune Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, dieser in einem Taftbeutel verstaut, aber das Auffallendste an ihm war eine Narbe an der linken Wange. Sie gab ihm ein Aussehen, als würde er erst zuschlagen und hinterher fragen, ob er einen Grund dazu gehabt hatte. Eine Narbe aus einem Duell, dachte Cecilia.
Bei ihrem Eintritt stieß er sich vom Kamin ab, machte aber keine Anstalten, ihr entgegenzukommen, er musterte sie nur unverhohlen und mit einem
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