Palazzo der Lüste
Ruhe lassen.
»Das steht Ihnen gut, als wären Sie erhitzt nach einem Spiel der Libertinage. Sie machen mich neugierig.« Er machte Anstalten, nach ihrer Hand zu greifen.
Cecilia schob hastig den Stuhl zurück, um mehr Abstand zwischen sich und ihn zu bringen. »Kommen Sie nicht näher!«, rief sie.
Mitten in der Bewegung verharrte Nicolò, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. »Wie Sie wollen. Ich wollte Sie fragen, ob Sie mit mir einen Spaziergang durch Venedig machen wollen, um Ihre Heimatstadt nach so vielen Jahren der Abwesenheit zu begrüßen. Ich will Sie aber bei Ihrem geheimnisvollen Tun nicht länger stören und werde Sie von meiner Anwesenheit befreien.« Er drehte sich schwungvoll um, dass die Schöße seines Rockes durch die Luft wirbelten.
Cecilias Wangen brannten vor Scham. Sie hatte sich angestellt wie ein dummes Gänschen. Im einundzwanzigsten Jahrhundert hätte sie keine Schwierigkeiten gehabt, Stefano von ihrer bevorstehenden Periode zu erzählen. Aber Nicolò war eben doch nicht Stefano, auch wenn zwischen beiden über die Jahrhunderte hinweg ein Band zu bestehen schien. Die Hand, die den Tampon hielt, war schweißfeucht geworden. Das hatte seiner Form nicht gut getan. Seufzend wandte sich Cecilia wieder dem Problem zu, das Bändchen ausreichend fest an der Konstruktion anzubringen.
*** Die Schneiderin hielt Wort. Die ersten beiden Kleider lieferte sie am dritten Tag morgens, während Gianna noch dabei war, ihre Herrin zu frisieren.
Ihre Periode hatte sie bis dahin noch nicht bekommen. Über den Schreck der Zeitreise waren wahrscheinlich ihre Hormone durcheinandergeraten, und so hatte sie bisher nicht die selbst gefertigten Tampons ausprobieren müssen, von denen sie zehn hergestellt und sie ganz hinten in einer Schublade ihrer Frisierkommode versteckt hatte.
Eines der beiden neuen Kleider, ein Abendkleid aus hellgelbem Seidentaft, an dessen Rock verschwenderisch Rüschen aufgenäht waren, erlebte noch am selben Abend seine Premiere. Nicolò führte sie in eines von Venedigs Opernhäusern zu einer Aufführung von »Die Krönung der Poppea« von Claudio Monteverdi.
An seinem Arm schwebte Cecilia durch die Gänge der Oper auf dem Weg zur Loge der Familie Capalli San Benedetto. Alle zwei bis drei Schritte mussten sie stehen bleiben, um jemanden zu begrüßen, und sie bemerkte mehrere junge Männer, die ihr bewundernde Blicke zuwarfen und sich mit glutvollen Augen über ihre Hand beugten. Nicolò nahm dies mit nachsichtigem Lächeln hin. Sollten sie sie mit den Augen verschlingen – wer sie tatsächlich verschlang, das war er.
»Jeder scheint meinen Namen zu kennen«, wunderte sich Cecilia, denn alle, die sie begrüßt hatten, hatten sie als seine Verwandte angesprochen.
»Ganz Venedig weiß, dass Sie da sind.« Er streckte dem Pagen, der ihnen die Tür zur Loge aufhielt, eine Münze hin und ließ sie vorangehen.
»Woher nur?«
Die Loge verfügte über acht Stühle, es war aber niemand weiter dort und Cecilia hoffte, sie würden zu zweit bleiben. Sie wollte mit Nicolò die Aufführung genießen und fand es auch anstrengend, so vielen Leuten zu begegnen und Konversation zu machen. Zwischen den Stühlen war auf einem kleinen Tisch ein Imbiss angerichtet. Nicolò schenkte Wein in zwei Gläser und reichte ihr eines.
Durch die geschlossene Tür waren Schritte und halblaute Stimmen zu hören. Schon in den Gängen hatte Cecilia den Eindruck gehabt, dass die Besucher nicht auf dem Weg zu ihren Plätzen waren, um dort den Beginn der Vorstellung zu erwarten; sondern dass sie sich nicht von ihren Bekannten losreißen konnten.
Sie ließ sich auf einem Stuhl nieder und nippte an dem Wein, dabei beobachtete sie Nicolò, der einen Teller mit Konfekt für sie füllte.
Mit einem eleganten Neigen ihres Kopfes dankte sie ihm und probierte eine der Naschereien mit rosa Zuckerguss und einer Marzipanrose. Sie roch nach Rosenwasser. Während sie an der Praline knabberte, wandte sie ihre Aufmerksamkeit der Bühne zu. Die Musiker hatten ihre Plätze eingenommen, sie stimmten ihre Instrumente und zu den lebhaften Gesprächen im Parkett gesellte sich eine Kakophonie der unterschiedlichsten Töne. Kein Besucher ließ sich davon im Mindesten stören, sie unterhielten sich weiter oder beobachteten, was in den Logen vor sich ging. Eine erkleckliche Anzahl Blicke war auf ihre Loge gerichtet, bemerkte Cecilia.
»Also bitte Nicolò, woher weiß jeder von
Weitere Kostenlose Bücher