Palazzo der Lüste
Nicolò weiter nach hinten in die Loge ziehen und genoss es, als er den Arm um ihre Taille legte.
»Es ist schlimm, wenn Sie mich dazu bringen, alles andere zu vergessen, und mich derart machtlos machen, wie ich es im Augenblick bin.« Er zog sie dichter an sich.
»Wie kann ich das heilen?« Sie bog den Oberkörper zurück, und brachte ihr wogendes Dekolleté in Reichweite seines Mundes.
»Schlimme Verführerin.« Nicolò konnte den dargebotenen Reizen nicht widerstehen und senkte seine Lippen auf die bebende Wölbung.
Eine Glocke zeigte den Beginn der Pause an. Nicolò hob den Kopf.
»Ich bin gerettet«, grinste er ironisch und schlug ihr leicht auf die Schulter. »Nehmen Sie eine züchtige Position ein, wir werden nicht mehr lange allein bleiben.«
»Eduardo Capelli?«
»Der wird sich nicht herwagen, aber andere werden Ihre Bekanntschaft machen wollen.«
Er behielt recht. Kaum hatte Cecilia sich aufrecht hingesetzt und fächelte sich mit würdevoller Miene Luft zu, als vernehmlich an die Tür geklopft wurde. Tommaso Gonzaga trat ein, ihm folgte eine zierliche junge Frau in einer Wolke aus Veilchenduft und einem Kleid in entsprechender Farbe. Zu blondem, grau gepudertem Haar hätte Cecilia eine andere Kleiderfarbe gewählt. Blaue Augen strahlten sie an, und ein spitzes Näschen verriet einen vorwitzigen Charakter. Gonzaga stellte sie Auriana Belmaran vor; er bezeichnete sie als die Frau eines guten Freundes.
»Sie ist auch seine augenblickliche Geliebte«, flüsterte ihr Nicoló ins Ohr, bevor er aus einer Ecke der Loge mehr Gläser und Wein hervorzauberte.
Die Frau eines guten Freundes als Geliebte. Im Rokoko jagte ein galantes Abenteuer das nächste, und sie steckte mittendrin.
Weitere Gäste traten ein. Zwei Frauen und ein junger Stutzer, die junge Lucrezia Trebiso, sie hatte gerade die Klosterschule beendet und war in ihr Elternhaus zurückgekehrt, mit ihrer um wenige Jahre älteren Freundin, Simona Loredan San Luca, seit zwei Jahren verheiratet, und ihr Bruder Carlo da Riva. Cecilia fühlte sich nicht mehr wie in der Oper, sondern wie auf einer ausgelassenen Geburtstagsparty, nur dass es kein Geburtstagskind gab, und alle den Eindruck machten, als hätten sie jeden Tag solche Zusammenkünfte. Weitere Ankömmlinge drängten in die Loge, und sie gab es auf, sich deren Namen zu merken. Die Gäste versorgten sich selbst mit Getränken und Konfekt.
Das Gedränge wurde groß, und Lucrezia gelang es, einen Platz neben Nicolò zu ergattern. Sie strahlte ihn aus kornblumenblauen Augen an und schenkte ihm ein so einladendes Lächeln, dass sie es unmöglich auf der Klosterschule gelernt haben konnte. Sie zwitscherte etwas, von dem Cecilia nur die Worte »Gondelfahrt« und »reizend« verstand. Das junge Ding flirtete unverhohlen mit ihm und er …
Er hatte sie mit einem flüchtigen Handkuss begrüßt und sie mit einem Glas Wein versorgt. Er neigte den Kopf zu ihr und lauschte mit einem hingerissenen Gesichtsausdruck ihrem Geplapper. In Cecilia stieg ein bitteres Gefühl auf. Sie zog sich aus dem größten Gedränge an den Rand der Gesellschaft zurück und wünschte, die Pause wäre zu Ende, und alle würden gehen.
Gonzaga neigte sich zu ihr. »Sie ist auf der Suche nach einem Ehemann, aber Nicolò ist viel zu erfahren, um sich von so einem Gänschen einfangen zu lassen. Man sagt von ihr, sie habe nicht mehr als zwei Abendkleider, die sie abwechselnd anziehen muss, und damit die nicht ganz so langweilig aussehen, sitzt sie morgens da, näht Borten und Rüschen an das eine, die sie dann am nächsten Tag wieder abtrennt und an das andere Kleid appliziert.«
»Es stimmt«, flüsterte ihr von der anderen Seite Auriana zu. »Erst neulich sah ich sie in genau diesem Kleid auf einem Maskenball in der Casa Pesaro.«
Die Ärmlichkeit ihres Kleides machte Lucrezia mit sprühenden Augen und perlendem Lachen wett. Sie hatte eine Hand auf Nicolòs Arm gelegt und ließ sich von ihm berichten, wie erfolgreich die Jagd in der Terraferma gewesen sei. Nicolò hatte für nichts anderes mehr Interesse. Da sollte er noch einmal behaupten, er mache sich nichts aus der Jagd.
Ob er mich auch zu seinen Jagderfolgen zählt, dachte Cecilia unwillkürlich, als sie immer länger mitansehen musste, wie er auf den Charme der Signorina reagierte. Es war, als wäre er mit ihr allein in der Loge. Sie fühlte einen Stich in der Brust, hastig trank sie ihren Wein aus und verschluckte sich
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