Palazzo der Lüste
früh verlassen, weil ich mich der Hilfe einiger Individuen versichern wollte. Wenn Lucrezia noch in Venedig ist, werden sie es entdecken.«
Ihr Herz machte einen Satz. Eine Weile hatte sie geglaubt, ihm wäre das Schicksal der Verschwundenen egal und dabei … Sie schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn leidenschaftlich.
»Piccolina.« Nicolò wühlte eine Hand in ihre Locken und küsste sie auf die geschlossenen Augenlider. »Sie müssen nicht die Arbeit der Polizei machen.«
»Ich kann nicht anders«, gestand sie mit belegter Stimme.
»Amantissima.«
Seine Lippen wanderten über ihre Schläfe, und mit einer kleinen Bewegung ließ sie den Morgenmantel über ihre Schulter gleiten.
Ein diskretes Hüsteln von der Tür her ließ beide auseinanderfahren wie Kinder, die man bei einem Streich ertappt hatte. Cecilia stand auf und raffte den Morgenmantel am Hals zusammen. In der Tür stand die nicht minder verlegen aussehende Gianna.
»Ich bitte um Entschuldigung, Signore, Signora. Im Salon warten zwei Herren.« Sie reichte Nicolò zwei Visitenkarten auf einem Silbertablett.
Er warf einen Blick darauf. Seine Miene blieb unverändert, aber er ballte die Hände so fest zu Fäusten, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Cecilia konnte die Namen auf den Karten nicht erkennen, aber es war kein freundschaftlicher Morgenbesuch, soviel stand fest.
»Es soll jemand unten Bescheid geben, dass ich in einer halben Stunde komme.« Mit zwei langen Schritten war er durch die Geheimtür und aus dem Zimmer. Sie hörte ihn nach seinem Diener rufen: »Piroll, eine einfache Morgentoilette, den taubenfarbenen Rock.«
Kaum war er verschwunden, trieb Cecilia ihre Zofe zur Eile an. Eine halbe Stunde war nicht viel Zeit, um Toilette zu machen. Sie hatte nicht vor, Nicolò mit diesem Morgenbesuch allein zu lassen, denn ein unbestimmtes Gefühl der Furcht, was diesen Besuch und seine Andeutungen über die Mithilfe einiger Individuen anging, hatte sich ihrer bemächtigt.
Wenn sie in dieser Sache etwas tun konnte, würde sie es tun. Sie war Polizistin und würde Nicolò nicht alleine in der Höhle des Löwen lassen.
*** Es war beinahe eine ganze Stunde vergangen, bevor Cecilia angekleidet war und in den Salon hinunterhastete. Sie trug das cremefarbene Kleid, das Nicolò ihr noch in der Villa Capelli geschenkt hatte. Der Stoff umschmeichelte ihre schlanke Figur und kleidete sie überaus gut, aber sie ärgerte sich über seine Fülle, die um ihre Beine schwang und sie daran hinderte, die Treppe so schnell hinunterzueilen, wie ihre Ungeduld es ihr diktierte.
Vor der Tür zum Salon holte sie tief Luft, warf einen letzten prüfenden Blick in einen Wandspiegel und ordnete ein paar ihrer von Gianna á la Gorgonne frisierten Locken neu.
Sie setzte ein strahlendes Lächeln auf und marschierte hinein. Nicolò war mit zwei schwarz gekleideten Herren dort, alle drei saßen mit sehr geraden Rücken am Tisch. Bei ihrem Eintritt erhoben sie sich. Er gab ihr mit den Augen einen Wink, wieder zu gehen. Doch sie tat so, als hätte sie es nicht bemerkt. Stattdessen schlug sie eine Hand auf die Wange und trippelte auf die Herren zu. Sie fand, sie gab ein überzeugendes Beispiel der Überraschung ab. Nicolò konnte nicht anders, er musste sie vorstellen.
»Das sind Ispettore Lanfranchi und sein Assistente Sansovino. Sie haben ein paar Fragen an mich.«
Cecilias gespielte Überraschung verwandelte sich in eine echte. Ihre Befürchtungen, die vor einer Stunde nur Gedankenspiele gewesen waren, wurden zur Realität. Sie begrüßte die Polizisten und nahm deren Verbeugung mit einem Nicken entgegen, bevor sie sich an den Tisch setzte. Heimlich drückte sie Nicolòs Hand, ging aber nicht darauf ein, als er ihr etwas ins Ohr raunen wollte. Unter keinen Umständen würde sie sich aus dem Raum schicken lassen.
»Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte der Ispettore.
»Bei dem Grad der Bekanntschaft zwischen Signore Capelli und Signora Trebiso«, half sein Assistent aus.
»Ganz richtig.« Lanfranchi griff sich an die Stirn und verschob dabei seine Perücke. Er war an den Schläfen bereits grau, hatte buschige Augenbrauen und sah aus, als verlöre er keine Spur, wenn er sie einmal aufgenommen hatte. Bestimmt hatte er auch nicht die Frage vergessen, die er vor Cecilias Eintreten gestellt hatte. Seine unsteten Augen huschten unablässig von einem zum anderen.
Beide Männer waren gefährlich und
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