Palazzo der Lüste
sie auf der Hut.
Der Inspektor schaute Nicolò auffordernd an. Der stützte die Hände auf den Tisch und legte die Fingerspitzen aneinander.
»Ich kenne Signorina Trebiso«, antwortete er auf eine Weise, als wollte er andeuten, die Frage sei reichlich überflüssig. Es war ein Spiel, und auch Capelli war darin ein Meister.
»Und Signora Capelli?« Ein Rattenblick traf sie.
»Ich kenne Signorina Trebiso.«
»Waren Sie mit ihr näher bekannt?«
»Ich traf sie ein paar Mal.«
»Sie hat in diesem Haus verkehrt?«
»Nein!«, mischte sich Nicolò ein. »Sie hat die Casa Capelli nie betreten. Es wäre mir lieb, wenn Sie meine Verwandte aus dieser Sache heraushalten würden.« Ein stahlharter Blick traf den Inspektor Lanfranchi.
Cecilia wollte sich aber nicht aus der Sache heraushalten lassen, und außerdem wollte sie das wissen, was man bei einer polizeilichen Ermittlung immer als erstes erfahren musste. Deshalb fragte sie: »Was ist denn genau passiert? Bisher war immer nur die Rede davon, dass Lucrezia Trebiso verschwunden ist. Etwas Genaueres scheint niemand zu wissen.«
»Sie ist mit ihrer Zofe zur Rialtobrücke gegangen, um sich dort mit einer Freundin zu treffen. Dazu ist es nicht mehr gekommen, weil sie vorher entführt wurde. Die Zofe wurde beiseite gestoßen und Signorina Trebiso in eine schmale Gasse gezerrt. Seitdem fehlt von ihr jede Spur«, berichtete Sansovino.
Das deckte sich im Wesentlichen mit dem, was sie auf dem Ball gehört hatte. Sie wollte aber mehr wissen und fragte weiter: »Diese Freundin hat etwas mit der Sache zu tun?«
»Sie ist eine Dame der ersten Gesellschaft und über jeden Vorwurf erhaben.«
»Der Nobilhomo Nicolò Capelli ist demnach kein Mitglied der ersten Gesellschaft?« Eine gewisse Süffisanz in ihrer Stimme konnte sie nicht unterdrücken, und sie freute sich über den anerkennenden Blick, den Nicolò ihr zuwarf.
»Es haben sich Dinge ergeben, die unseren Besuch notwendig machen«, riss Lanfranchi wieder das Gespräch an sich. »Lassen wir Signorina Trebiso einstweilen und sprechen wir über Ihre Garderobe, Signore Capelli. Speziell über Ihre Handschuhe.«
Dieser abrupte Themenwechsel löste bei Cecilia und Nicolò Erstaunen aus.
»Ich trage natürlich Handschuhe und gehe davon aus, Sie tun es ebenfalls.«
»Vermissen Sie da etwas?« Der Inspektor ging auf den Einwurf nicht ein.
»Meine Handschuhe sind maßgeschneidert. Ich vermisse nichts an ihnen.«
»Einen davon.«
»Wie soll ich das wissen? Ich weiß nicht einmal, wie viele Paare ich besitze. Dazu müssen Sie meinen Diener Piroll befragen.«
»Dann tun wir das.« Wenn Nicolòs Blick stahlhart war, so war es die Stimme Lanfranchis nicht minder.
Mit einem Achselzucken läutete Capelli nach seinem Diener und beauftragte diesen, alle Handschuhe zu holen. Während der Wartezeit sprach niemand, aber Nicolò drückte unter dem Tisch beruhigend Cecilias Hand und berührte mit seinem Knie ihr zitterndes Bein.
Was hatten die Handschuhe mit dem Verschwinden Lucrezias zu tun? In ihrem Kopf galoppierten die Gedanken, aber einer Lösung kam sie nicht näher. Fingerabdrücke wurden noch nicht genommen, von Hautschuppen und Haaren für DNS-Proben ganz zu schweigen und selbst wenn, an den Handschuhen waren natürlich Nicolòs und die seines Dieners.
Piroll betrat den Salon. Er trug eine oben offene Schachtel, aus der ein Berg Handschuhe quoll. Einer davon fiel herunter, als er die Schachtel auf den Tisch stellte. Mit einem entschuldigenden Blick auf seinen Herrn hob er ihn auf und legte ihn zu den anderen.
»Du bewahrst sie aber nicht immer so auf?« Nicolò runzelte die Stirn angesichts des Durcheinanders.
»Natürlich nicht, Signore.«
»Sind das alle?«
»Sehr wohl.« Wenn Piroll über die an ihn ergangene Anweisung erstaunt war, so zeigte er es nicht.
»Dann zeige sie diesen beiden Herren.«
Mit einem kaum merklichen Nicken begann Piroll damit, die Handschuhe paarweise auf dem Tisch auszubreiten. Da gab es lederne und solche aus Stoff, welche zum Reiten und andere zum Kutschieren, wieder andere waren zu einem Abendanzug zu tragen, während einige Paare genauso unverkennbar zu einer Morgentoilette gehörten. Cecilia frage sich, wie jemand eine solche Menge Handschuhe besitzen konnte und doch kein Paar darunter war, das im Winter wärmte.
»Es fehlt keiner?«, fragte der Assistent überflüssigerweise, denn es lagen nur
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