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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Timmermans
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könnte.
    Es waren zwei Flieger, beide im Lederrock mit einer wollenen Mütze über den Ohren.
    Während der eine Öl in den Kasten goß, machte sich der andre an der gewaltigen Schraube aus Birnbaumholz zu schaffen.
    Pallieter fragte: »Was verlangt ihr für eine Runde über die Schelde?«
    Die beiden Männer lachten über diese Frage und weigerten sich bestimmt. Aber Pallieter drang weiter in sie und erhöhte den Preis so lange, bis sie endlich nachgaben.
    Er rieb sich die Hände und sagte: »Jetzt fahren wir zusammen ins Reich der Sonne.«
    »Es ist nur Platz für zwei«, bemerkte der Steuermann.
    Das fiel wie ein Stein auf Pallieters Herz.
    »Das is schade, Kind,« sagte er, »aber ich nehm dich mit in meiner Seele.«
    Mariechen wurde auf einmal verlegen und streichelte dem Pferd die Mähne...
    Einer der Flieger gab Pallieter seinen ledernen Rock, und daß seine Hose patschnaß war, das schadete auch nichts, das machte frisch!
    Er saß nun hinter dem Flieger, der das Steuer hielt, der andere zog ein paarmal an der Schraube, die sich auf einmal so schnell drehte, daß sie unsichtbar wurde, und Pallieter kriegte die Gewalt von tausend Winden gegen die Nase, den Männern flogen die Hüte vom Kopf und den Weibern die Röcke in die Höhe.
    Die Schraube brüllte, und da rollte das Ding fünfzig Meter hüpfend dahin und löste sich vom Boden, ohne daß Pallieter etwas davon gemerkt hatte.
    In einem Nu sah er die Bäume bereits unter sich, die Leute liefen bewundernd mit, und dort ritt, rot auf einem weißen Pferd, Mariechen am Deich entlang. Sie winkte mit dem Taschentuch und rief: »Bis nachher, bis nachher!« Aber davon hörte er nichts, wegen der Schraube.
    Mit gewaltiger Schnelligkeit stieg das Flugzeug höher und weiter. Er blickte erstaunt über die Welt, die unter ihm lag, wo alles ineinanderkroch und verschmolz. Es war, als ob er sitzen bliebe und die Erde, sich schnell drehend, in die Tiefe stürze. Nichts Schweres war mehr an ihm, als ob er ohne Körper sei.
    Höher und höher! Und überall sah er blaue Horizonte, die sich weiter und weiter ausdehnten. Was waren nun der Beginenwald, die Häuser, die Dörfer, Türme, Felder und Bäume und die Nethe! Es war so klein, als müsse man es mit der Lupe besehen.
    Überall war es hell, und viertausend Meter unter ihm lag die ganze weite Welt, schön und herrlich und berückend, wie die Auflösung von einem großen Geheimnis.
    »Ach, wie schön is die Erdkugel!« rief Pallieter.
    Der ganze Himmel war erfüllt von dem Geräusch der Schraube. Es war, als ob sie darauf getragen würden. Pallieters Seele wuchs vor Glück; so auf der freien Luft zu sitzen, ein Teil des Windes zu sein, durchzittert und umringt zu werden von Licht und Luft, und hindurch zu ziehen und zu schneiden wie ein Pfeil, auf dem Wege nach etwas Ewigem. Es war, als ob er betrunken würde von dem weiten Raum. Und da unten lag die Welt, so schön und innig in Sonne und Farbenpracht, so voll, so vollkommen, mächtig und heilig, wie das Ende aller Dinge.
    Pallieter war gerührt davon und sagte fluchend: »Wie schön, wie schön!«... und dann... »Hab Dank, du liebes Herrgöttchen, daß du mich auf die Erde geblasen hast!«
    Aber durch die Tiefe buchtete schmal und glitzernd die Schelde durch die Gegend, und daneben lag ein handgroßer, roter Fleck, das war Antwerpen, die große Stadt mit ihren tausend Häusern und hundert Straßen! Und ganz weit, weit dort hinten, wo der Strom sich am Horizont verlor, lag weiß und mattblinkend das große Meer! Und dort hinten lagen Brüssel, Mecheln und überall kleine Städte und Dörfer! Pallieter konnte zehn mit einer Hand bedecken, und er sagte: »Da wohnen nun die Menschen! da wohnen sie nun, die alle meinen, daß sie immer recht haben!.. Ein Furz in einer Flasche. Ach Thomas a Kempis, wenn du einmal in einem Flugzeug gesessen hättest, dein Büchlein wäre noch tausendmal schöner geworden.«

 
     
     

Sommerregen
     
    D er Abend kam, und ein Duft von weißen Rosen hing in der gelben Luft.
    Pallieter war ruhig und rauchte langsam seine Pfeife, während er, an einen Baum gelehnt, seinen frischgeharkten Garten betrachtete. Der gewaltige Genuß von Licht und Luft hatte sich mit dem Abend in ihm gelegt, und nun herrschte eine große Ruhe in seinem Herzen.
    Der Rauch, der aus den Schornsteinen des Beginenhofs stieg, zerfloß zu einer weißen Linie, die regungslos vor den Alleebäumen hängen blieb.
    Drei reine Glockenschläge klangen aus dem Türmchen, und es war, als

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