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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Timmermans
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ob dreimal auf Pallieters Herz geklopft würde. Das Türmchen hob sich schwarz von dem ambergelben Himmel ab, und Pallieter schlenderte über den Wall dem einsamen, weißen Beginenhof zu.
    Die graue Dämmerung zitterte an den weißen Mauern entlang, und die Pflastersteine lagen bleich da. Die Häuser schienen noch einmal so hoch, da die Türen nun geschlossen waren, und die Stille füllte die Straßen. Nur zwei Schwalben schossen zwitschernd hoch oben durch die Luft.
    Pallieter ging auf den Zehen, lauschte auf die Stille und betrat die Kirche. Es war niemand darin. Die glänzenden Stühle standen ernsthaft in Reihen, und die Ewige Lampe war wie ein Auge. Er setzte sich nieder, und die ungebrochene tiefe Ruhe machte, daß er vor Friedensgefühl die Augen schloß. Seine Seele öffnete sich in ihm, und alles andere war wie ein vergessener Traum... so saß er.
    »Ich habe Gott gefühlt, aber ich bleibe doch Mensch«, sagte er.
    Als er heraus kam, war der Himmel nicht mehr gelb, es hingen graue Wolken davor, aber der Tag war noch nicht tot. Bei Pallieter standen alle Türen auf, und es war noch dunkel im Haus. Es war niemand da...
    Im Schuppen sah er die Spitze der schweren Sense funkeln und bekam ein Verlangen, damit zu arbeiten. Im Garten ließ eine Amsel ab und zu ein paar frohe Töne erklingen, und Pallieter meinte: »Das gibt Regen.«
    Er machte sich daran, das Gras auf der Pferdewiese zu mähen. Er wetzte den Stahl, und es klang weithin in den stillen, schweren Abend. Er zog die Sense durch das Gras, das Gras fiel um, und der Stahl summte.
    Pallieter machte weitausholende Bewegungen beim Mähen und hob sich riesig und dunkel vom bleichen Lichte des gestorbenen Tages ab, und das Licht blieb an seiner Sense hängen.
    Auf einmal raschelte es im Gras, und in der Dämmerung sah er einen Strauß gelber Blumen und weiß darüber Mariechens Haupt. Er war froh, und sie kam näher und sagte voll Bewunderung: »Es war, als ob ein Riese am Mähen sei.« »Laß mich mal riechen«, sagte Pallieter, und er drückte sein Gesicht in die weichen Blumen.
    »Sie sind für dich«, jauchzte Mariechen still.
    »Ich riech deine Seele darin, ach komm« -- und er nahm die Blumen in den Arm und sah sie dankbar an. Er fühlte sich wie ein Kind.
    »Komm,« flüsterte er, »setz dich hin und erzähl mir, wo du sie gepflückt hast.« Er setzte sich ins abgemähte Gras und legte den Strauß auf seinen Schoß. Sie setzte sich neben ihn und erzählte langsam, daß sie mit Charlot nach der Kapelle von Sankt Anna gegangen war, um zu beten; unterwegs hatte sie einen Bauern um die schönen Blumen gebeten, weil er, Pallieter, so oft nach ihrem Honigduft verlangte.
    Sie schwiegen. Die Bäume standen ganz still, und aus der dunkeln Küche kam das laute Rosenkranzgemurmel von Charlot.

     
    Plötzlich sagte Mariechen aufschreckend: »Ein Tropfen, es regnet!«
    Pallieter hielt die Hand auf, und nach einer Weile klatschte ein großer Tropfen darauf. »Das is gut, wie geschmolzene Butter«, bemerkte er.
    Und aus dem unsichtbaren Himmel fiel langsam ab und zu ein großer Regentropfen. Bald hier, bald dort. Sie hörten sie auf die Bäume klopfen, fühlten sie auf ihre Hände und ihre Nase kommen und in den gepflückten Blumen ersticken. Manchmal kamen viele, wie mit voller Hand ausgestreut. Dann wars wieder still, und nach ein paar Herzschlägen hörte man hier und da wieder einen fallen. Jeder Tropfen bekam einen besonderen Wert.
    Blumendüfte stiegen auf und flössen langsam und erregend um sie her, und die Amsel im Garten stieß klingende Töne aus ihrer glatten Kehle. Es waren wollüstige Töne, voll Wonne über das erquickende Wasser an ihrem kleinen Leib. Es schien Pallieter, als ob der tolle Vogel mit einem von den angenehmen Tropfen im Schnabel singe, so perlten, tanzten und schlugen die hellen Klänge in der Luft herum. Es waren Töne dabei, die sie selbst genoß, lange aushielt, wieder einzog und dann wie eine glatte Kugel kristallklar hinausstieß. Und »Gegrüßt seist du, Maria« ging es in einem fort in der Küche. Ihr Gebet war wie etwas, das wächst.
    Pallieter fing mit der Zunge einen Tropfen von seinen Lippen, blickte Mariechen an und sagte gerührt: »Is dieser Abend nich, um zu zerfließen, Mariechen?«
    Sie sah ihn an und schwieg. Er nahm ihre Hand, die naß war, und verbarg sie unter seinen Fingern.
    »Ach Mariechen!« fuhr er fort und hätte ihre Hand zerbrechen können, denn das Herz schwoll ihm vor Liebe. Und es war, als ob seine Seele

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