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Pallieter

Pallieter

Titel: Pallieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Timmermans
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ausbrechen müßte.
    Er zog sie näher zu sich heran, aber sie senkte den Kopf, und er sah nichts mehr von ihrem Gesicht.
    »Mariechen!« sagte er noch einmal mit einem Seufzer, doch sie rührte sich nicht und schwieg. Und die großen Regentropfen fielen langsam und schwer auf die Blätter, und die Amsel zog flötend den letzten Lichtschimmer aus dem Himmel. Aber in der Küche wurde es still, plötzlich schoß gelbes Licht in das Fenster, und Charlot rief an der Tür: »Kommt schnell herein, es regnet, und das Essen is beinah fertig!« Mariechen zog die Hand aus Pallieters Fingern, stand auf und ging weg, ohne ein Wort zu sagen.
    Pallieter blieb liegen, erstickt von dem Glücksgefühl, daß Mariechen ihn auch lieb hatte; er streckte die Beine aus und ließ den milden Regen wie Balsam betäubend auf sich niederströmen.

 
     
     

Der Walkürenritt
     
    E s war brühheiß und schwül. Die Sonne brach den Boden auseinander, die Gemüse standen wie in Quaderstein und waren schlapp wie Spüllappen.
    Pallieter und Mariechen saßen im blauen Schatten von Sonnenblumen und Holunder und aßen frisch gepflückte Kirschen aus seinem Strohhut. Der Holunder duftete stark, und die Sonnenblumen waren voller Hummelgesang.
    Pallieter stand einmal auf, um sich zu recken, und rief: »Mieteke, guck doch nur das Licht, das Licht! Es is wie Musik!« Mariechen stand auf und betrachtete das grellbeleuchtete Land mit der Hand über den Augen.
    Es rührte sich keine Menschenseele, und alles war tot und still. Die Hitze tanzte über den Wegen wie über einem Ofen, und die Stille lag wie Blei auf der Welt.
    Pallieter sah, wie köstlich die Sonne auf Mariechen schien und wie hübsch die roten Kirschen, die er ihr wie einen Korallenschmuck an die Ohren gehängt hatte, ihrem lieblichen Gesichtchen standen. Und als sie merkte, daß er sie betrachtete, rief sie, mit dem Körper wippend:
    »Wollen wir Kahn fahren?«
    »Wer zuerst an der Nethe is!« sagte Pallieter, und so rasch sie konnten, liefen die beiden durch den Garten in die lichtsprühenden Felder hinaus. Sie kamen zu gleicher Zeit an, und Pallieter hob Mariechen wie eine Feder auf den Deich.
    Sie stiegen in das schaukelnde Bootchen, als Charlots fette Stimme ertönte:
    »Aber seid ihr denn verrückt, bei so einer Hitze Kahn zu fahren! Eßt lieber noch ‘n paar Kirschen!«
    »Wir essen Sonne!« rief Pallieter zurück, und nach zwei starken Ruderschlägen ließen sie sich mit dem Strom treiben durch das backofenheiße Land, das sie nun ringsherum in seiner glühenden Beleuchtung liegen sahen. Mariechen saß hinten, Pallieter vorn, und sie ließen die Hände ins laue Wasser hängen.
    Sie schwiegen und blickten sich von Zeit zu Zeit heimlich ins Gesicht, und dann war ein Lächeln um ihren Mund und ein Glitzern in ihren Augen. Sie trieben sanft weiter und sahen die vordersten Felder und Bäume langsam vorbeigleiten, während der Horizont und die fernen Heuhaufen mitzogen. Und über diesen großen Landzipfel ging kein Hauch. Mariechen drückte die Stille so schwer, daß sie bat: »Spiel doch ein Liedchen!«

     
    »Ich hab meine Flöte nich da!« sagte Pallieter. »Dann sing eins!«
    Und er sang: »Es waren zwei Königskinder.« »Hier is nur ein Unterschied,« sagte Pallieter, als er zu Ende war, »daß Charlot, die alte Betschwester, noch vier Lichter dazustecken würde, damit der Jung nich ertrinkt.«
    Mariechen bekam ein roten Kopf.
    Aber da sah Pallieter an einem Bogen der Nethe einen Fischer regungslos wie ein Steinbild stehen und mit einer Schnur angeln, und er rief:
    »Der wart wieder auf einen, den er noch nie gesehen hat!« Der Fischer blickte gleichgültig auf und senkte dann rasch wieder die Augen nach dem roten Pfropfen.
    Sie trieben weiter, und Mariechen jauchzte auf einmal, nach dem Himmel zeigend:
    » Gewitter türme, Gewittertürme!«
    Und wahrhaftig, von allen Seiten stiegen hinter dem waldumsäumten Horizont dickgestopfte, schmale Wolkenköpfe in die Höh. Sie waren wie rauhe Säulen, auf denen der blaue Himmelsschädel ruhte.
    »Hast du Angst vor dem Gewitter?« fragte Pallieter.
    »Ach nein, ich habs gern!«
    »Hussa, dann wollen wir Kirmes feiern! Laß sie nur kommen!« Und er rieb sich mit strahlendem Lächeln die Hände. Ein Schatten lief dort hinten über das feurig glänzende Land und versetzte im Handumdrehen die Welt in Dämmerlicht. Sie fuhren weiter, und unterdessen begannen die hohen Wolken am Himmel durcheinander zu wühlen, die stolzen weißen Säulen wurden

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