Paloma
Ahnung vom Häuserbauen hatte, meinte Desiree, dass er sich damit wohl schwer tun würde im Moment. Jeder, der noch einigermaßen zupacken könne, arbeite nämlich auf der Baustelle an der Cala des Mortes.
„Aber ich hör mich mal um“, versprach sie.
„Ja, bitte tu das.“
„Und wo wohnst du? Dein Zimmer von damals steht leer, du kannst es jederzeit wieder haben.“
„Danke für dein Angebot, aber ich will in der Cala Dragonera campieren. Auch wenn mich die Mosquitos auffressen.“ Philipp stand auf. „Ich mach mich jetzt auf den Weg.“
Desiree zog ihn an sich und sagte: „Schön, dass du wieder da bist, Philipp.“ Dabei stieg ein Duft von ihr auf, der an sonnendurchglühte Erde erinnerte.
Als er später unter seinem Sonnendach lag und dem nahen Rollen der Dünung lauschte, kamen seine Gedanken noch eine ganze Weile nicht zur Ruhe. Seine von der Reise überstrapazierten Nerven gaukelten ihm die Vision einer restlos verbauten Insel vor. Riesige Betonklötze, Schnellstraßen, Parkplätze und massenhaft Touristen, die ähnlich Heuschreckenschwärmen über die Insel herfielen. Als er die Augen schloss, war ihm, als höre er in der Ferne Desirees heiseres, dunkles Lachen.
Am nächsten Morgen erwachte Philipp, weil ihm die Sonne ins Gesicht schien. Er ging hinunter zum Strand und schwamm ein Stück hinaus, um die Mosquitostiche auf seinen Armen zu kühlen. Fand dann noch ein paar Kekse in den Resten seines Reiseproviants und trank eine halbe Flasche Wasser dazu. Und danach musste er, nicht zum ersten Mal in seinem Leben, feststellen, wie sinnlos es war, irgendwelche Dinge im Voraus zu planen. Zumindest an seinem ersten Tag auf Magali lief absolut nichts wie geplant. Wie Desiree prophezeit hatte, gab es momentan anscheinend wirklich keine freien Arbeitskräfte. Dabei war Philipp davon ausgegangen, dass er vor allem in den Sommermonaten keine Probleme damit haben würde. Die Getreideernte war vorüber, Mandeln und Trauben dagegen noch nicht reif. Nur hatte er das eine, das alles Entscheidende übersehen: die Leute auf Magali waren nicht mehr ausschließlich auf Feldarbeit angewiesen.
Philipp kurvte mehrere Stunden auf der Insel herum, traf aber entweder gar niemand an oder kinderhütende Frauen oder Großväter. Schon bald konnte er das Wort Cala des Mortes nicht mehr hören. Er hatte es bereits zu oft gehört an diesem Morgen. Die halbe Insel, den männlichen Teil betreffend, schien im Moment dort beschäftigt zu sein.
Abgesehen von einigen Ausnahmen. Als er bei Paco vorbei fuhr, ein junger Fischer, der ihn früher häufig mit seinem Boot mitgenommen und ihm viel vom einheimischen Dialekt beigebracht hatte. Er traf allerdings nur seine Großmutter an und von ihr erfuhr Philipp, dass Paco im neuen Hotel an der Playa Illetes arbeitete.
Philipp war früher häufig an der Playa Illetes gewesen, manchmal fast täglich, da Paco dort sein Boot liegen hatte. Heute jedoch erkannte er den Weg dort hinaus kaum wieder. Der schmale holprige Camino war mittlerweile asphaltiert und zudem verbreitert, die alten, schönen Natursteinmauern waren verschwunden.
Bereits von weitem stach ihm der imposante Hotelbau ins Auge, der eher ins Bankenviertel in Frankfurt gepasst hätte als in die karge, steinige Landschaft auf Magali. Ein schneeweißer Klotz mit massenhaft wie angeklebt wirkenden Balkonen, die aus der Ferne Bienenwaben ähnelten. Neben der Hotelauffahrt ein nierenförmiger Swimmingpool und daneben wie zu einer militärischen Parade aufgestellte Plastikliegen, in denen Hotelgäste in der Sonne schmorten. Und die früher so gut wie menschenleere Strandbucht dahinter war voller Sonnenschirme, Strandlaken und Menschen. Geblieben waren allein die Hütten aus unbearbeiteten Baumstämmen, in denen die Fischer noch immer ihre Boote liegen hatten. Philipp kamen sie vor wie ein Relikt längst vergangener Zeiten.
Paco in dem riesigen Hotel aufzutreiben war nicht einfach. Zwar schienen alle Hotelangestellten Paco zu kennen, nur handelte es sich nicht um jenen Paco, den Philipp suchte. Es gab einen Paco aus Valencia und noch zwei weitere aus Andalusien, erst als Philipp in der Küche landete, entdeckte er endlich den Gesuchten. Obwohl kaum wieder zu erkennen in schwarzer Hose und weißem Hemd. Er räumte gerade eine Spülmaschine mit Kaffeetassen voll.
„Hombre!“, sagte Paco und strahlte übers ganze Gesicht. „Du hättest ein paar Monate früher kommen sollen. Du siehst ja, jetzt hab ich keine Zeit zum Fischen raus zu
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