Paloma
Terrasse der Bar El Centro und aß ein Stück goldgelbe Tortilla und trank ein Glas Wein dazu. Miguel, der Wirt, stellte es ihm als Willkommensgruß auf den Tisch. Drinnen in der Bar herrschte Hochbetrieb, aber Philipp kannte keinen der Männer, die an der Theke standen, tranken und rauchten.
„Arbeiter vom Festland“, sagte Miguel. „Und jeden Tag kommen neue.“
„Gut fürs Geschäft.“
„Sicher.“ Und dann meinte Miguel augenzwinkernd. „Du wirst sehen, wir werden alle noch reich.“
„Die Insel der Millionäre.“
„Hast du was dagegen?“
„Warum sollte ich?“
„Eben. Trink aus, ich bring dir noch ein Glas.“
„“Wenn du deinen Wein verschenkst, wirst du niemals reich.“
Miguel erwiderte Philipps Lachen und schnippte mit den Fingern. Der früher eher mürrische Mann, der kaum drei Worte mit ihm geredet hatte, war kaum wiederzuerkennen. Philipp vermutete, dass es der Klang der Peseten in seiner Kasse war, der ihm jetzt Laune machte.
Der Wein und die Sonne und das Stimmengemurmel der Männer nebenan in der Kneipe machten Philipp schläfrig und ein wenig betrunken. Er wusste, sein Problem war noch immer nicht gelöst, aber allmählich machte es ihm nicht mehr so viel aus. Was soll’s? sagte er sich. Irgendwann steht mein Haus. Wenn nicht jetzt, dann eben im nächsten Sommer. Sein Grundstück und das Geld für den Bau seines Hauses waren ihm auch nicht einfach so in den Schoß gefallen. Und Rom wurde ebenfalls nicht an einem Tag gebaut.
Während er auf den in der Sonne flimmernden Asphalt neben sich auf der Straße blickte, musste er an Salvador denken, der schließlich doch ein Stück von seinem Land hergegeben hatte. Er erinnerte sich noch gut daran, wie sie gemeinsam Furchen auf den Feldern gezogen und Kartoffeln gesteckt hatten. Und sich immer wieder abgewechselt hatten. Eine Zeitlang hatte Salvador die Hacke geschwungen, dann wieder er, solange bis seine Hände nur noch offenes Fleisch waren. Weiß Gott, ein großartiges Gespann waren sie gewesen. Der kleine, alte Mann, der versucht hatte, mit dem Jüngeren, Stärkeren Schritt zu halten und ihn gleichzeitig anzulernen. Und da Philipp es ohnehin für heute aufgeben wollte, seinen Hausbau voran zu treiben, beschloss er, zu Salvadors Hof hinauszufahren.
Er stand auf und legte ein Geldstück auf den Tisch und rief: „Bis bald mal wieder, Miguel.“
Den Ort mit der alten Wehrkirche hinter sich lassend, fuhr er einen sanft ansteigenden Buckel hinauf, folgte den unzähligen Kurven, mit denen sich der steinige Weg zwischen den von Natursteinmauern umfriedeten Feldern entlang zog.
Von weitem war nur ein Stück Dach von Salvadors Haus zu sehen, der Rest verschwand hinter dem alten Orangenbaum. Im Näherkommen fielen ihm die in hellem Blau gestrichenen Fensterläden auf, die sich leuchtend von der weißen Hauswand abhoben. Das gefiel ihm. Ebenso wie die vielen Kübel mit Geranien und anderem blühendem Zeug, die aufgereiht auf der Veranda standen. Aber der Hof lag still und verlassen da, weder vom Federvieh war etwas zu sehen, noch von den Ziegen oder Schafen, geschweige denn von Salvador oder seiner Tochter. Als er jedoch die offene Haustür entdeckte, stellte er sein Auto im Schatten eines Feigenbaumes ab und stieg aus.
Aber bevor er noch das Haus erreichte, sah er unter einem der knorrigen alten Olivenbäume hinter dem Haus ein junges Mädchen. Sie fischte gerade mit einem Stock einen Strang zitronengelber Wolle aus einem hölzernen Kübel und hielt ihn zum Abtropfen in die Höhe. Dabei sah sie zu ihm herüber. Neugierig, jedoch abwartend. Philipp rief „Hola!“ und ging auf sie zu. Dabei wurde ihm plötzlich klar, dass es sich bei dem jungen Mädchen um Paloma handeln musste. Sie war um einiges gewachsen in der Zwischenzeit, ihre staksigen Beine hatten sich gerundet. Und auch der Rest. Was sie erwachsener wirken ließ. Nur der warme, ruhige Blick ihrer dunklen Augen war noch immer derselbe. Sie ließ den Wollstrang zurück in den Holzkübel sinken und trocknete sich die Hände an ihrem Rock. Philipp war sich nicht sicher, ob sie ihn ebenfalls erkannt hatte.
„Hola, Paloma.“
„Hola.“
„Du erinnerst dich nicht mehr an mich, was?“
„Doch. Natürlich. Sie haben mal ein Stück Land von meinem Vater gekauft.“
„Richtig.“ Philipp wusste nicht so recht, woran er war. Palomas Zurückhaltung war deutlich zu spüren.
„Wie geht es euch denn? Alles in Ordnung? Auch dein Vater?“
„Ja, danke. Vater schläft gerade, aber
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