Paloma
beschrieben, überging man großzügig die Tatsache, dass das arme Wurm ohne Vater aufwachsen musste. Und man überschüttete Paloma geradezu mit begeisterten Ausrufen der Bewunderung.
Pedro Pujol war der Einzige, der nicht in helle Freude ausbrach beim Anblick des Kindes. Im Gegenteil. Als er von den Umständen seiner Geburt erfuhr, warf er Paloma vor, sträflich leichtsinnig gewesen zu sein. Seine sonst so ruhige Stimme überschlug sich regelrecht, als er ausmalte, was alles hätte passieren können, falls es während der Niederkunft Komplikationen gegeben hätte. Er malte regelrechte Horrorszenarien aus. Paloma um Hilfe rufend, mutterseelenallein an der Hofmauer, elend verblutend.
Dem Kind gegenüber war Pedro Pujol eher zurückhaltend. Was Paloma ihm nicht verübelte, sie hielt es für die typische Reaktion eines Mannes einem Säugling gegenüber. Aber es entging ihr nicht, wie er immer wieder versuchte, ihrem Gespräch eine andere Richtung zu geben, sobald sie begann, über Blanca zu reden. Und im Stillen gab sie ihm recht. So glücklich sie über ihr Kind war, wollte sie dennoch nicht, dass sich ihr Leben nur noch um Blanca drehte. Was sie sich auch gar nicht leisten konnte. In der Osterwoche würden die ersten Hotels wieder ihren Betrieb aufnehmen und sie musste sehen, dass sie die Produktion der Pullover vorantrieb. Was wie immer recht zeitaufwendig war.
Zu ihrer Überraschung fand sie ausgerechnet in Pedro Pujol einen idealen Babysitter. Tagsüber hielt er zwar seinen Unterricht in der Schule, aber ab dem späten Nachmittag saß er in ihrer Sala, mit Korrekturarbeiten oder Vorbereitungen für den Unterricht beschäftigt, sodass Paloma unbesorgt den Hof verlassen konnte. Sie fuhr mit ihrem Rad zu den Strickerinnen, brachte ihnen Wolle und holte fertige Teile ab. Oft waren es erstaunliche Mengen, die sie zu einem Bündel verschnürt, auf dem Rad transportierte.
Manchmal fragte Paloma sich allerdings schon, weshalb Pedro Pujol so zuverlässig Tag für Tag auf den Hof kam, obwohl er sich offensichtlich nicht viel aus der Kleinen machte. Nie hatte sie von ihm diese Schnalz- oder Schmatzlaute gehört, wie bei Ana oder anderen Frauen, wenn sie sich Blanca ansahen. Ja, er schien sich nie wirklich um das Kind zu kümmern. Paloma hatte sogar manchmal das Gefühl, er blicke es nicht einmal an. Zumindest nicht, solange sie in der Nähe war.
Eines Abends entdeckte sie jedoch, dass Pedro Pujol sich sehr wohl mit dem Kind beschäftigte. Wenn auch auf seine Art. Sie kam an dem Abend früher als gewöhnlich zurück und als sie ihr Rad an die Verandamauer lehnte, hörte sie ihn mit jemand sprechen. Sie wunderte sich darüber, denn normalerweise kam um die Zeit niemand mehr bei ihr vorbei. Die Sala war jedoch leer. Dann jedoch entdeckte Paloma, dass Pedro Pujol mit Blanca redete. Er saß an ihrem Korb und erzählte ihr offenbar eine Geschichte über einen kleinen Vogel, der zur Sonne fliegen wollte. Dabei schwang er seine Arme auf und ab, als ob er selber abheben wollte. Aber er redete anders als wenn er mit ihr, Paloma, sprach. Sehr langsam und deutlich, vermutlich so, wie er mit seinen Schülern sprach. Blanca schien es zu gefallen, sie hörte ihm mit weit offenen Augen zu. Paloma rührte sich nicht und lauschte ebenfalls. Plötzlich schien Pedro Pujol ihre Gegenwart jedoch zu spüren, er stockte mitten im Satz und drehte sich zu ihr um. Und stand dann verlegen auf, als ob sie ihn bei etwas Unrechtem ertappt hätte und verabschiedete sich kurze Zeit später.
Da Paloma klar war, wie mühsam es für ihn war, jeden Tag den Weg zu ihr hinaus zu Fuß zurückzulegen, bot sie ihm Salvadors Mobylette an, die einer der Männer aus der Cala Sahona zurückgebracht hatte.
Anfangs wollte Pedro Pujol nicht so recht, er meinte sogar, der tägliche Fußmarsch tue ihm gut. Erst als Paloma ihm hartnäckig zuredete, machte er sich schließlich daran, das Rad zu putzen und zu ölen. Es fand sich sogar noch ein Rest Benzin, und er drehte anschließend eine Proberunde über den Hof. Für seine Verhältnisse sogar ziemlich ausgelassen, ja er verriet Paloma bei der Gelegenheit, dass er auf ein Auto spare. Nichts Großartiges. Einen kleinen Seat nur. Und dass er wohl Ende des Sommers genug zusammenhabe.
„Aber das habe ich schon letztes Jahr gedacht und dann sind die Preise gestiegen und es war wieder nichts“, sagte er.
Paloma fand es richtig, dass er es nicht wie die anderen machte und sich ein Auto auf Kredit kaufte. Wie Ernesto zum
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