Pamiu Liebling der Goetter
zerlumpten Bettler freundlich zu sein und ihn nicht eher fortzujagen, bis er seine Identität geklärt hätte. Er fühlte sich befreit, als er auf die dunkle Straße trat. Die Luft hatte sich etwas abgekühlt, denn es war schon spät. Bald würde Nut Re erneut das Leben schenken, genau wie ihm heute ein neues Leben geschenkt worden war. Merimose reckte sich und ging ein paar Schritte, um die müden Glieder aufzulockern. Morgen würde er seinen Dienst wieder antreten, egal, wie müde er war. Er hatte sich in seinem ganzen bisherigen Leben, das nun immerhin schon zwanzig Lenze dauerte, noch nicht derart lebendig gefühlt. Er dachte, dass er von nun an den jungen Prinzen mit außergewöhnlicher Freundlichkeit behandeln würde, als ihm von hinten jemand am Kopf packte und etwas Kaltes an seiner Kehle entlangstrich. Verdutzt fuhr Merimose herum. Was sollte das? War das ein dummes Spiel? Er sah die dunkle Gestalt vor sich und fasste sich instinktiv an den Hals, aus dem ihm die warme Nässe entgegenschoss. Mit einem Mal erstarrte Merimose und begriff. Er wollte etwas sagen, doch aus seinem Mund kam nur ein Schwall Blut.
„Prinz Khufu wünscht dir eine gute Reise ins Duat“ war das Letzte, was er von seinem Gegenüber vernahm, bevor er in sich zusammensackte und im Staub verendete wie ein Tier.
Ich bin Horus, der Falkenköpfige
Ich bin der Gott der Lüfte und das lebende Abbild meiner Selbst auf Erden
Ich bin Träger der Kronen und Vater meines göttlichen Sohnes
Den ich herrschen lasse über Kemet
Dem ich verleihe Krummstab und Geißel als Zeichen seiner
Göttlichkeit
Kapitel 2
Khufu rannte den Gang entlang zu den Räumen seines Freundes. Wenn Snofru unerwartet zu einer Entenjagd aufrief, war der ganze Palast in Eile, um den Wünschen des Königs Folge zu leisten. Eigentlich hasste Khufu die überfallartigen Einladungen seines Vaters, aber heute stand diese Jagd unter einem besonderen Zeichen, und er war glücklich, dass sein Vater sie zu Ehren der Hochzeitsfeierlichkeiten Khufus mit Meritates ausrichten ließ. Sieben Jahre waren vergangen, als er in den Gemächern seiner Mutter den Entschluss gefasst hatte, Meritates zu seiner Gattin zu machen. Selten hatte Khufu einen Vorsatz wahr werden lassen können, doch hier war er standhaft geblieben und hatte seinen Vater bedrängt, ihm seine göttliche Schwester zu geben, um die königliche Blutlinie rein zu halten. Geschwisterehen waren bei Hofe nicht ungewöhnlich, und schon gar nicht in der königlichen Familie sowie beim Hochadel. Endlich fühlte er sich einmal von Snofru wahrgenommen. Nicht Nefermaat, der geniale Baumeister und Thronfolger, und auch nicht Rahotep, der bevorzugte Gesprächspartner seines Vaters, würde heute gefeiert werden, sondern er, der dritte und jüngste Sohn in der Thronfolge. Khufu dachte auch an Meritates, die er in dieser Nacht das erste Mal auf seinem Ruhebett haben würde. Er hätte sie mit Sicherheit schon vor der Hochzeit zu sich geholt, doch seine Schwester hatte erst vor kurzem ihre monatliche Blutung bekommen, und bevor sie nicht offiziell als Frau galt, hatte er nicht gewagt, sie anzurühren. Viel zu spät schien Meritates zur Frau geworden zu sein, doch jetzt endlich würde er sie zu sich holen können. Er wusste, dass auch sie darauf gewartet hatte, und der Umstand, dass er sie heute haben würde und dass sein Vater diese Jagd mit dem anschließenden abendlichen Fest zu seiner Hochzeit ausrichten ließ, stimmte ihn froh.
Er stieß die Tür zu den Gemächern seines Freundes Pamiu auf, ohne sich anmelden zu lassen. Es war seine Angewohntheit, unangemeldet zu erscheinen. Er sah es als sein Privileg, über Pamiu zu verfügen, wann er wollte.
Pamiu saß auf dem Boden und war in eine Bastelarbeit versunken. Neben ihm kniete ein kleines Mädchen mit einer dicken schwarzen Kinderlocke, das nur einen winzigen Gürtel um die schmale Taille trug und blaue Bänder in ihr Haar geflochten hatte. Oh, warum musste sie ihm gerade heute die Laune verderben? Khufu warf einen unfreundlichen Blick auf seine Halbschwester, während er mit großen Schritten auf Pamiu zuging.
„Hat Nachtmin dir nicht meine Nachricht überbracht?“
Pamiu stand auf, und Khufu hielt den Atem an. Wer hätte gedacht, dass aus dem verweichlichten Knaben ein derart schöner Jüngling werden würde? Pamiu war groß und sehr schlank, ohne jedoch nicht gebrechlich zu wirken. Er hatte dichtes schwarzes Haar, das ihm bis auf die Schultern fiel. Khufu konnte sich nicht
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