Pamiu Liebling der Goetter
„Wirst du gehen, Vater? Wirst du der Bitte der Großen Königlichen Gemahlin folgen?“
Er zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, Aaschu.“
Das Mädchen stand auf und sah ihn flehend an. „Bitte geh nicht. Ich weiß, wenn du erst einmal wieder in Memphis bist und den Palast mit seinem ganzen Reichtum und Prunk siehst, dann wirst du nicht mehr zu uns zurückkehren wollen.“ Sie wischte sich mit der Hand über die Augen, um die aufkommenden Tränen zu verbergen. Dann rannte sie hinaus.
Pamiu hatte sich in der Abenddämmerung mit einem kühlen Becher Bier, das Baket-Geb selbst braute, auf die kleine Bank vor seinem Haus gesetzt. Er hatte in den vergangenen Jahren oft dort gesessen, um seinen Gedanken nachzuhängen. Zuerst waren es Gedanken des Heimwehs und des Schmerzes gewesen, Abende, an denen er um den Verlust seines Lebens getrauert hatte. Auf diese Gedanken waren Abende der Leere und Stumpfheit gefolgt, in denen er sich hoffnungs- und kraftlos gefühlt hatte; und schließlich waren diese düsteren Abende denen einer ruhigen Zufriedenheit gewichen, als er es endlich geschafft hatte, sein Schicksal anzunehmen. Der heutige Abend war anders als die vorangegangenen der letzten Jahre. Pamiu spürte auf einmal wieder eine Unruhe in sich, die ihn lange nicht mehr geplagt hatte. Seine Hände fingen zu schwitzen an, wenn er über den feinen Papyrus strich, der einen Duft verströmte, wie ihm nur der Papyrus zu Eigen war, der im Palast hergestellt wurde.
Ohne dass er es bemerkte, ließ sich Baket-Geb neben ihm nieder. Erst als sie ihm einen frischen Becher Bier reichte, lächelte er sie an. „Hat Aaschu sich wieder beruhigt?“
Baket-Geb nickte. „Sie hat aufgehört zu weinen und versucht ihre Sorge zu verbergen, die sie bezüglich deiner Reise nach Memphis hegt.“
„Ich werde nicht nach Memphis gehen, Baket-Geb.“
„Du musst gehen. Es ist der Wille der Götter.“
Pamiu griff nach der Hand seiner Frau und drückte sie. „Du hast das zweite Gesicht, und ich bin mir sicher, dass die Götter zu dir gesprochen haben. Was haben sie dir gesagt, Baket-Geb? Bitte sag es mir.“
„Sie haben mir gesagt, dass du nach Memphis gehen sollst.“
Er schüttelte den Kopf. „Ich fürchte mich davor. Ich habe in den Jahren hier endlich Ruhe gefunden, mein Ka schien mir geheilt. Aber seit dieses Sendschreiben kam, fühle ich die alte Unruhe meiner Jugend in mir. Meine Hände zittern, wenn ich das königliche Siegel berühre.“
Sie sah ihn ernst an. „Dann solltest du nach Memphis gehen, damit das Zittern und die Unruhe aufhören.“
„Aber was ist nun, wenn Aaschu Recht hat? Was geschieht, wenn ich meinen Fuß nach so langer Zeit wieder auf Marmorböden setze und feines Leinen trage? Was soll ich tun, wenn mich die alte Lust nach einem Leben mit allen Annehmlichkeiten wieder überfällt?“
„Die Götter bestimmen unser Schicksal, nicht wir selbst, Pamiu.“
„Ihr seid meine Familie. Ich will euch nicht verlassen.“
„Wenn das so ist, wirst du zurückkehren, und dein Ka wird frei sein. Dann brauchst du dir keine Gedanken zu machen.“
Pamiu ließ das kühle Bier seine Kehle hinunterlaufen und schloss die Augen. „Aber das ist es ja gerade – ich bin mir nicht sicher, ob mein Ka gefestigt genug ist für diese Prüfung.“
Baket-Geb erhob sich und nahm ihm den leeren Becher ab. „Wenn du bleibst und den Ruf der Königin ungehört verklingen lässt, wirst du auch hier bei uns keinen Frieden mehr finden.“
„Es ist ohnehin sinnlos, darüber nachzudenken. Womit soll ich diese Reise bezahlen?“
Sie griff in die Tasche ihres Kittels und zog einen Ring hervor. „Hiermit. Das reicht für die Reise nach Memphis und auch noch dafür, dir auf dem Markt einen guten Schurz und ein Öl für eine anständige Rasur zu kaufen, damit du nicht als Bauer vor die Königin hintreten musst.“
„Das ist der Ring, den mir einst Osiris-Snofru gab. Ich dachte, ich hätte ihn damals in den Teich vor unserem Haus geworfen.“
Baket-Geb lächelte. „Das hast du auch. Aber ich habe ihn wieder herausgeholt und aufgehoben.“
Er blickte sie irritiert an. „Heißt das, die Götter haben dir schon vor Jahren offenbart, dass ich einst nach Memphis zurückkehren würde?“
Sie verschloss ihr Gesicht und zuckte mit den Schultern. „Nein, aber es wäre dumm, einen so schönen und wertvollen Ring den Fischen zu überlassen.“ Mit diesen Worten wandte sich Baket-Geb um und kehrte ins Haus zurück. Pamiu starrte auf
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