Pampelmusenduft (St. Elwine) (German Edition)
Schule direkt bei mir!“
Ryans Gedanken wanderten zu Tyler. Er musste wissen, wie es ihm ging. Das konnte er aber nur herausfinden, wenn er ihn im Krankenhaus besuchte. Am Telefon gab ihm niemand Auskunft, das hatte er bereits ausprobiert. Nun sollte er zwei ganze Tage lang nicht fort dürfen? Er fühlte sich in die Enge gedrängt und suchte fieberhaft nach einem Ausweg.
„Wenn ...“ Er machte eine Pause und rang mit sich. Es war so verlockend, aber ... Wenn er mit Mrs. Chiles redete, würde sie ihm vielleicht die Strafe erlassen. Eine andere Chance konnte er nicht erkennen. Auch wenn er noch ein weiteres Mal seine Möglichkeiten abschätzte. Er musste es wagen.
Lynette spürte, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Fast tat er ihr leid. Doch sie musste konsequent bleiben. Auch Ryan Lillywhite würde lernen müssen, seinen Stolz zu zähmen.
„Wenn ich mit Ihnen über Kevin rede“, wagte er einen Vorstoß. „Kann ich ... darf ich dann an den beiden Tagen fort?“ Der winzige Funken Hoffnung, der aus seinen Worten stak, berührte ihr Herz.
„Selbstverständlich. So haben wir es besprochen.“
„Kevin ist ein Arsch“, begann Ryan.
Lynette wandte sich kurz zum Fenster, um vor dem Jungen ihr Lächeln zu verbergen.
„Er hat sich über mich lustig gemacht“, erzählte er hastig weiter. „Darüber, dass ich einen Dad habe und trotzdem im Heim lebe.“
Lynette nickte verständnisvoll. Sie nahm sich vor, mit der Lehrerin, oder besser noch, mit den Eltern von diesem Kevin Usher zu reden. Ryan hatte, weiß Gott, genug zu verkraften. Da brauchte er ganz sicher nicht auch noch den verletzenden Spott seiner Mitschüler.
„Was habt ihr denn so interessantes vor? Mr. O´Brian und du, was nicht noch etwas warten kann. Denn darum geht es dir doch nicht wahr?“ Sie war nicht so dumm zu glauben, er hätte endlich begriffen, dass er ohne die nötige Einsicht nicht weiter kam. Hinter seiner Bereitschaft zu reden, steckte purer Eigennutz. Doch bei der Erwähnung von O´Brians Namen veränderte sich der Gesichtsausdruck des Ju n gen.
„Ich ...“, druckste er herum. „Ich muss ihn sehen ... unbedingt ...“
Alarmiert sah sie auf. „Er ist doch nicht etwa krank?“ Als Ryans Kinn zu beben begann, wuchs ihre Besorgnis.
Ryans Angst lechzte bereits viel zu lange nach einem Ventil. Die angestaute Ungewissheit brach sich machtvoll eine Bahn und er begann, haltlos zu schluchzen. Mit zuckenden Schultern stand er vor ihr. Lynette konnte nicht anders und zog ihn tröstend in ihre Arme. Er brauchte eine Weile, um dann stockend zu berichten.
Kurz entschlossen holte sie ihre Geldbörse heraus, drückte ihm ein paar Dollarnoten für einen Strauß Blumen in die Hand und schickte ihn in die Klinik, um Tyler zu besuchen.
Verblüfft starrte Ryan sie an. Ihm war klar, dass Mrs. Chiles über seine Vergangenheit und die gelegentlichen Diebstähle Bescheid wusste. Trotzdem hatte sie ihm jetzt ihr Geld gegeben. Das konnte nichts anderes bedeuten, als dass sie ihm vertraute. Ein komisches Gefühl kullerte durch seinen Bauch. Er war sich zwar noch nicht sicher, was er davon zu halten hatte, doch es fühlte sich eindeutig gut an. Sogar sehr gut, wenn er genauer darüber nac h dachte.
Charlotte Svenson verließ ihre Praxis und betrat die Küche. Bertha hatte einen leckeren Eintopf gekocht. Auf dem Tisch stand ihr Gedeck. Großvater und Bertha aßen bereits früher zu Mittag. Jetzt hielten sie ihr R u hepäuschen.
Charly verspürte keinen großen Appetit. Ihr ging zu viel im Kopf herum. Die zunehmende Verwirrtheit ihres Großvaters nahm sie mehr mit als sie vorgab. Wenn das so weiter ging, war es notwendig, mit ihrem Vater Kontakt aufzunehmen. Schließlich war er Johanns einziger Sohn und hatte ein Recht darauf, informiert zu werden. Charly seufzte leise und füllte ihren Teller nur mit einer halben Kelle. Am Vormittag hatte Elizabeth sie angerufen. In der Nacht war jemand mit dem Fahrrad schwer gestürzt und hatte sich dabei erhebliche Gesichtsverletzungen zugezogen. Unter anderem eine Fraktur des Unterkiefers. Kurz: sie brauchten Charlottes Hilfe. Sie hatte zunächst die Patienten in ihrer Sprechstunde behandeln müssen und versprochen, so schnell wie möglich ins Krankenhaus zu fahren. Der Fall kam ihr eigentlich gar nicht so ungelegen. Bot sich ihr doch die Gelegenheit nach O´Brian zu sehen, ohne nach einer Ausrede greifen zu müssen, trotzdem hätte sie ihren freien Nachmittag heute sehr gut gebrauchen können. Stattdessen
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