Pampelmusenduft (St. Elwine) (German Edition)
entschiedener als nötig, wie um ihren eigenen Entschluss noch zu unterstreichen. „Gibt es ein Problem?“, fügte sie schon etwas versöhnl i cher hinzu.
„Oh. Ich dachte ... na ja ... Ich dachte ...“ Ryan fuhr sich nervös mit der Zu n ge über die Lippen.
„Ja?“
„Ich dachte, Sie könnten mich vielleicht mitnehmen“, sagte er leise und mit schwindender Hoffnung.
„Ich bin hier um zu arbeiten“, antwortete sie mit Nachdruck.
Ryan nickte resigniert. Verzweiflung stand in seinen Augen. Charlotte zögerte angesichts seiner Traurigkeit. Sie hätte ihn gern getröstet, wusste jedoch nicht wie. Mit Kindern konnte sie nicht besonders gut umgehen und verfluchte ihre Ratlosigkeit.
„Dr. Tanner ist im OP“, teilte er ihr ungefragt mit. „Vielleicht kann sie mir weiter helfen. Ich werde hier warten.“
Das konnte ja Stunden dauern, überlegte Charlotte und fasste einen Entschluss. Sie hatte heute schon genug Unerfreuliches erlebt. Sollte man nicht jeden Tag eine gute Tat vollbringen? Dies schien genau der richtige Zeitpunkt dafür zu sein. „Warte hier!“, befahl sie Ryan und ging an die Rezeption. Keine zwei Minuten später kam sie zurück. „Ich habe seine Zimme r nummer. Komm mit, wir müssen eine Etage höher!“
Sie brachte ihn bis an die Tür.
Er sah sie fragend an. „Kommen Sie nicht mit rein?“
„Ich sagte doch bereits, ich habe zu tun. Vielleicht schaue ich später noch mal vorbei. Machs gut!“ Schon rauschte sie davon und verströmte ihren ei n zigartigen Duft.
Ryan nahm ihn als zusätzliches Geschenk. Sie war so cool und jetzt hatte die schönste Frau der Welt auch noch dafür gesorgt, dass er zu Tyler konnte. Wenn es nicht bereits vorher passiert wäre, hätte sich der neunjährige Ryan Lillywhite augenblicklich in Dr. Charlotte Svenson verliebt.
Er klopfte leise an und ging schließlich hinein. Beinahe hätte er geglaubt, im falschen Zimmer zu stehen, so anders sah Tyler aus. Sein G e sicht war weiß wie das Laken. Die Augen hielt er geschlossen. Zunächst erschrak der Junge, da er zumindest für einen kurzen Augenblick fürc h tete, dass Tyler tot war. Dann bemerkte er erleichtert das regelmäßige Heben und Senken seines Brustkorbs. Sein Freund schlief nur. Das taten Kranke wohl meistens, wie er schon öfters gehört hatte. Er legte die Blumen ins Waschbecken und zog sich einen Stuhl heran. Gern hätte er Tyler vorsichtig berührt, doch er wagte es nicht. Sein großer Freund sah einfach zu beängstigend aus.
Charlotte wandte sich an die Stationsschwester der chirurgischen Abteilung. Man zeigte ihr, wo sie die grüne Arbeitskluft fand und sie sich umziehen konnte. Dann wies man ihr ein Untersuchungszimmer zu und brachte ihren Patienten herein. Charlotte wollte keine Zeit vergeuden und machte sich an die Arbeit. Zuvor studierte sie gründlich die Röntgen- und Schädel CT- Aufnahmen. Mit ihren Gedanken war sie zunächst noch bei Ryan Lillywhite. Der Junge hatte sogar Blumen mitgebracht. Es war in gewisser Weise schon anrührend, wie die beiden aneinander hi n gen, wenn man bedachte, wie kurz sie sich erst kannten.
Charly wandte sich ihrem Patienten zu, stellte sich vor und tastete vorsichtig die Kiefer ab. Ein junger Assistenzarzt gesellte sich zu ihnen und bot ihr seine Hilfe an. Sie nahm, dankbar lächelnd, die erste Drahtschla u fe zur Hand und begann mit der aufwendigen Fixation der Zähne.
Ryan ließ die Beine baumeln und nahm jeden Winkel des Krankenzimmers genauestens unter die Lupe. Er kannte bereits die Anzahl der Steckdosen, der verschiedenen Schalter und der Lampen. Hin und wieder stand er auf, ging zum Fenster und schaute eine Weile hinaus.
Tyler schwitzte, seine Kehle war wie ausgedörrt. Er verspürte großen Durst. Wollte er etwas trinken, musste er sich zwangsläufig bewegen. Aber genau davor graute es ihm. Sein Unterleib tat höllisch weh. Es war bereits der dritte Tag nach dem Unfall, doch es ging ihm eher immer schlechter statt besser. Er versuchte erneut, sich so gut wie möglich zusammen zu rollen. Es half nicht. Ein leises Stöhnen kam über seine Li p pen und er öffnete die Augen.
„Ryan! Was machst du hier?“, fragte er leise.
„Hallo Tyler. Dich besuchen natürlich. Wie geht´s dir?“
„Ehrlich gesagt, nicht besonders.“ Tyler streckte seinen Arm aus und griff nach dem Wasserglas. Er leerte es in einem Zug. Vor seinen Augen begann sich alles zu drehen. Das Patientenhemd klebte ihm am Körper. Er ließ sich vorsichtig in die Kissen
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