Pampelmusenduft (St. Elwine) (German Edition)
Lockenmähne stand wild und ungekämmt von ihrem Kopf ab. Sie sah aus wie der personifizierte Rachee n gel.
„Wo ist mein Mann?“, fragte sie ruhig aber unumwunden. Ihr Ton machte deutlich, dass sie keine Ausflüchte gelten lassen würde.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Tyler deshalb wahrheitsgemäß. Er schaffte es dabei sogar, ihrem bezwingenden Blick standzuhalten. Darin las er nicht nur eine unausgesprochene Drohung, sondern vor allem ein Flehen.
„Hör zu, Tyler! Ich weiß von den Telefonaten.“ Liz bluffte und setzte alles auf eine Karte. Dass sie damit richtig lag, zeigte ihr sein erschrockenes Gesicht. Jegliche Farbe war daraus gewichen. Deshalb fuhr sie mit ihrer Strategie einfach fort und versuchte, sein offensichtliches Entsetzen nicht weiter zu beachten. „Ich weiß sogar von dem Zettel - ANGOLA. Du verstehst schon, nicht wahr? Wir beide wissen doch, dass du etwas zu verheimlichen suchst. Der Reitunfall, das war kein gewöhnlicher Unfall, habe ich recht?“
Er schwieg, starrte sie lediglich aus weit aufgerissenen Augen an.
Elizabeth fühlte sich bestätigt und sprach hastig weiter: „Hör zu, es ist mir scheißegal, was du bisher getrieben hast, oder ob du schwul bist oder sonst irgendwas. Ich bitte dich nur um eines: Wenn du weißt, wie ich meinen Mann gesund wieder bekommen kann, dann hilf mir! Hilf mir, ich bitte dich!“
Er sagte lange kein Sterbenswort, sah sie einfach nur an und rührte sich nicht.
Seine offensichtliche Ruhe und Gelassenheit waren zu viel für ihre überstrapazierten Nerven. Mit einem Mal schlug ihre Angst in blinde Wut um. „Ich habe gedacht, du bist ein Freund. Wie kannst du einfach nur so da stehen?“ Sie trommelte mit ihren Fäusten auf seine Brust ein. „Du weißt etwas. Mach mir doch nichts vor!“
Er trat einen Schritt zurück und wich ihr aus. „Das stimmt nicht.“
„Lüg mich nicht an!“ Ihre Stimme war hoch und schrill.
Das passierte doch nicht wirklich, oder? Tyler war wie betäubt, als er die nackte Verzweiflung in ihren Augen las.
Liz Nerven gingen nun völlig mit ihr durch. Sie holte weit aus und ve r passte ihm einen derart harten Schlag, dass sein Kopf zurück fiel.
Er hatte nicht damit gerechnet, daher traf ihn ihre Faust vollkommen unerwartet. Tyler taumelte ein wenig. Aus seiner Nase und seinem Mundwinkel lief das Blut. Er blinzelte sich durch den Tränenschleier, den der plötzliche, heftige Schmerz ihm in die Augen getrieben hatte. Wahrscheinlich hatte Elizabeth Tanner ihm die Nase gebrochen. Er hoffte inständig, dass er sich irrte. Aber es tat höllisch weh. Tyler presste die Hand gegen seine Nase und schnappte nach Luft. Das Blut lief zwischen seinen Fingern hervor.
Charlotte beschlich ein ungutes Gefühl. Sie nahm den Kleinen an die Hand und lief Elizabeth hinterher. Gerade als sie die Stufen zum O´Brian Haus hinauf stieg, ging Liz auf Tyler los.
Um Gotteswillen! Sie kam bereits zu spät. Wenn Charlotte eines auf dieser Welt hasste, dann war das die Anwendung roher Gewalt. Sie konnte Elizabeths Motiv ja nachvollziehen, aber nun war sie eindeutig zu weit gegangen. Charly begann zu weinen. Aus Fassungslosigkeit, Mitleid, Mitgefühl. „Seid ihr denn total verrückt geworden?“, stieß sie schluc h zend hervor.
Jetzt erst nahmen die beiden sie überhaupt wahr. Elizabeth weinte nun ebenfalls. Von O´Brian ließ sich das schwer sagen, auf alle Fälle schwammen seine Augen in Tränen.
„Oh Gott“, würgte Liz hervor. Sie hastete die Stufen herunter, nahm ihren Sohn an die Hand, der sich nur schwer von dem Kätzchen trennen wollte, mit dem er gerade gespielt hatte und lief fluchtartig davon. Lukas hatte mit seinen kurzen, dicken Beinchen Mühe, ihr zu folgen.
Charlotte schob Tyler kurzerhand in das Haus hinein. Die Tür zur Küche stand offen. Sie drängte ihn zur Spüle, schnappte sich das Handtuch und hielt es unter fließendes Wasser. Mit dem Kopf wies sie auf den Küchenstuhl. Tyler gehorchte und setzte sich. Charly tupfte vorsichtig das Blut ab. Er zuckte unwillkürlich zurück. Beide verloren sie kein Wort. Was gab es auch schon groß zu sagen? Die Anwesenheit des j e weils anderen schien beiden peinlich. Schließlich ließ Charlotte das Handtuch liegen und verließ grußlos sein Haus.
Tyler begriff, dass seine neu gewonnenen Freunde auf Elizabeth Tanners Seite standen. Er versuchte sich zu erinnern, wann genau er einen schweren Fehler begangen haben sollte? So sehr er sich auch anstrengte, es wollte ihm einfach nicht
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