Pampelmusenduft (St. Elwine) (German Edition)
sich Marc längst im Klaren. Sie gab sich die allergrößte Mühe, sehr sogar. Beide gingen sie nur noch äußerst vorsichtig miteinander um. Sie wogen jedes Wort, das sie wechselten, nahezu zweimal ab. Das war keine sehr gute Basis für eine Partnerschaft, ein Zusammenleben. Dieser Zustand dauerte bereits viel zu lange. Ihnen beiden fehlte es offenbar an Mut, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Seit sein Vater eine Haftstrafe absaß, ging es wenigstens seiner Mutter besser. Sie arbeitete jetzt stundenweise in der Gemeindebibliothek. Damals hatte Marc sich an den Reverand gewandt und um Hilfe gebeten. Es schien zu klappen. Gestern hatte Mom ihn angerufen. Aus dem Fer n sehen habe sie von Joshs Entführung erfahren, erklärte sie. Sie wusste, wie viel ihrem Sohn diese Freundschaft bedeutete. So bot sie ihm ku r zerhand an, zu zuhören, wenn er reden wollte. Seltsamerweise fuhr Marc tatsächlich zu ihr. Wohin sollte er sich auch sonst wenden? An Liz - das brachte er nicht fertig, jedenfalls noch nicht. Seine Mutter hatte ihm die Tür geöffnet, noch bevor er überhaupt geläutet hatte. Er hatte nicht viel gesprochen, das hatte sie sich schon gedacht. Doch das brauchte er auch nicht. Megan hatte ihm einfach eine Kerze in die Hand gedrückt. Sie w a ren ins Schlafzimmer gegangen, an ihren selbst errichteten Altar und hatten die Kerze entzündet. Zum allerersten Mal hatte Marc sich dort nieder g e kniet und um das Leben seines Freundes gebetet.
Amy hatte nicht gefragt, wo er gewesen war. Sowohl in Marcs als auch in Amys Leben gab es Bereiche, die sie stets unter Verschluss hielten. Diese Teile klammerten sie einfach aus oder schwiegen sie mehr oder weniger tot. Dazu gehörte auch die Freundschaft zwischen Amy und Jennifer, der zweiten Frau seines Vaters. Da George Cumberland im Gefängnis saß, war Jenny jetzt alleinerziehende Mutter eines einjährigen Mädchens. Genau genommen war die kleine Rose seine Stiefschwester. Was für ein lächerlicher G e danke.
Doch nun war Marc bereit, all diese unerfreulichen Tatsachen zu akzepti e ren, wenn Gott nur Joshua Tanner verschonte.
Charlotte Svenson hatte sich seit dem frühen Morgen in ihre Arbeit gestürzt. Sie sah darin die einzige Möglichkeit, sich wenigstens etwas abzulenken. Um ihren Cousin machte sie sich furchtbare Sorgen. Charly liebte Joshua wie einen Bruder, den sie nie gehabt hatte. Möge ihm nur nichts Schreckl i ches zugestoßen sein!
Warum konnte ihr Leben denn nicht ein Mal zur Ruhe kommen? Es gab kaum Möglichkeiten, wie sie Elizabeth helfen konnte.
Als sie am gestrigen Abend das Haus der Tanners verlassen hatte, hatte sie in ihrem Innern eine unsagbare Leere gespürt.
„Was kann man tun gegen diese Art der Verzweiflung?“, fragte sie schlie ß lich Bertha.
„Mir hilft am besten Brot backen.“
Verdutzt sah sie die ältere Frau an. „Aber ich kann nicht backen.“
„Dann solltest du es lernen, junge Dame“, antwortete Bertha ihr darauf u n missverständlich.
Die korpulente Haushälterin hatte bereits mehr als einmal deutlich gemacht, wie wenig Verständnis sie für Charlys mangelnde Back- und Kochkünste aufbrachte. In ihrem Alter sollte sie, Berthas Meinung nach, mit derlei Di n gen besser vertraut sein.
„Aber das brauchte ich nie“, brachte Charlotte zu ihrer Verteidigung hervor.
„Papperlapapp - alles Unsinn“, grunzte Bertha. „Also, was ist jetzt?“
Charly sah sie fragend an.
„Du brauchst Mehl, Hefe, Salz, etwas Zucker, ein wenig Fett und Wa s ser.“
Widerspruchslos begann Charlotte, die genannten Zutaten zusammen zu tragen. Mit Hilfe von Berthas Anweisungen war es ihr gelungen, einen Teig zu bereiten.
„Das Kneten ist das Beste daran“, gab Bertha bestimmt von sich. „Du kannst dich vollkommen am Teig auslassen. Das hilft gegen Wut, Frustration und Verzweiflung aller Art - garantiert.“
Als Charly schließlich ihr Werk in den Ofen schob, musste sie der Haushä l terin recht geben.
Sie hatte Angst um Joshua und sie sorgte sich auch um Tyler O´Brian. Denn sie hatte begonnen, zwischen den Dingen, die sie im Laufe der letzten Zeit in Erfahrung gebracht hatte, Zusammenhänge zu e r kennen. Immer, wenn sie darüber nachgrübelte, beschlich sie ein äußerst beunruhigendes Gefühl. Don war ihr in diesem Fall keine besonders gr o ße Hilfe. Zum einen hatte er momentan alle Hände voll zu tun, und zum anderen spürte sie seine durchdringenden Blicke auf sich. Es schien ihr, als könnte er bis auf den Grund ihrer
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