Pampelmusenduft (St. Elwine) (German Edition)
nichts anderes übrig als zu reden.
Alle würden wissen wollen, was mit dem Rockstar los war und er selbst wäre dann der Zuschauer aus der Ferne - was für ein köstliches Spiel. Er stieß ein abgehacktes Lachen aus. Jetzt saß er am längeren Hebel - jawohl, so ei n fach war das.
Die eigentliche Lösung des Problems musste daher eben noch etwas warten. Geduld war die unerlässliche Bedingung, die er sich immer wieder auferl e gen musste. Am Ende würde sein Vorhaben gelingen.
Rasch nahm er die Bibel zur Hand und suchte nach einem passenden Zitat. Er fand immer eines: „Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken; denn er ist treu, der sie verheißen hat.“
Brief an die Hebräer 10, 23
Ein flüchtiger Blick streifte die Uhr an seinem rechten Handgelenk. Es gab noch eine Menge zu tun.
Tyler verließ nach dem Gespräch mit Elizabeth Tanner am Montagmorgen den Ort. Ein Helikopter brachte ihn zum Flughafen. In seinem Terminkalender war dieser Tag seit Wochen rot angestrichen. Amerikas Talkmeisterin June Hayes hatte ihn eingeladen. Die Show wurde am Vormittag aufgezeichnet und kurz nach vier Uhr am Nachmittag ausg e strahlt. Tyler mochte diese Art von Publicity-Veranstaltungen nicht. Sein Manager dafür umso mehr. Hin und wieder hielt Tyler es für ang e bracht, auf Norman Mc Kees Vorschläge einzugehen.
Der Flug und die Anbindung mit dem Transfer zum Fernsehstudio klappten reibungslos. Er musste zunächst in die Maske. Die junge Frau seufzte leise, als sie die dunklen Ringe unter seinen Augen wahrnahm. Nimm es als berufliche Herausforderung oder persönlichen Ehrgeiz, Baby, dachte er bei sich. Er konnte solche Dinge nicht beeinflussen, also fügte er sich. Tyler war momentan zu keinem Gespräch aufgelegt, daher schwieg er einfach. Die Maskenbildnerin hielt ihn wahrscheinlich aufgrund dessen für ein arrogantes Arschloch. Was soll´s, damit konnte er zweifellos leben.
Mrs. Hayes huschte kurz herein. Sie stellte sich ihm vor, etwas distanziert zwar, doch äußerst professionell. Ihre Freundlichkeit wirkte nicht mal aufgesetzt, als sie ihm ein paar Hinweise für die Show gab. Trotzdem ließ ihn das Gefühl nicht los, dass sie ihn streng unter die Lupe nahm. Die Frau machte ihn zunehmend nervös. Sein Instinkt riet ihm plötzlich mit aller Deutlichkeit, diesen Termin besser abzusagen. Gerade erschien Norman in der Maske und sorgte mit seinem Handkuss und dem lockeren Flirtgeplänkel der Hayes gegenüber, für ein wenig Zerstreuung. Tylers Anspannung ließ etwas nach. Sie verließen gemeinsam die Maske und gingen rüber zum Studio.
Die Erkennungsmelodie der Show erklang und June Hayes betrat den Aufzeichnungsbereich. Nach ihren Begrüßungsworten und ein paar Sätzen zu seiner Person, erhielt Tyler das Stichwort. Als sie sich schließlich gegenüber saßen, führten sie zunächst eine leichte, eher belanglose U n terhaltung. Nach fünf Minuten gab es den ersten Werbeblock und Tyler konnte ein wenig aufatmen, da er die erste Hürde hinter sich gebracht hatte.
Nach der Pause herrschte jedoch im Studio plötzlich eine andere Stimmung. Er konnte sich den Grund dafür nicht erklären, aber er nahm eine Fülle von kleinen Anzeichen dafür wahr.
„Mr. O´Brian, unsere Zuschauer interessieren sich stets für die persönliche Meinung unserer prominenten Gäste. Was halten Sie von den sozialen Mis s ständen in den USA?“
„Ich denke, in diesem Land sind wir noch weit davon entfernt, von sozialer Gerechtigkeit zu sprechen. Zu viele Kinder leben in Armut oder sind häusl i cher Gewalt ausgesetzt.“
„Was wissen Sie über staatliche Erziehungsheime?“, stellte Mrs. Hayes ihre nächste Frage.
Tyler war ein wenig irritiert, weshalb sie nichts über seine derzeitige Arbeit wissen wollte. Über die neue CD zum Beispiel oder das Rockmärchen. So wie es vereinbart gewesen war. Trotzdem antwortete er ihr: „Die Zustände in diesen Erziehungsheimen sind recht unterschiedlich. Es hängt viel vom j e weiligen Leiter ab.“
June Hayes lächelte in die Kamera. Nur ganz kurz sah sie dabei Tyler in die Augen. Das ungute Gefühl, das ihn bereits befallen hatte, als er noch in der Maske saß, kehrte zurück und manifestierte sich plötzlich in seinem Magen. Er hatte eine unbestimmte Ahnung, dass sie ihn auf irgendetwas festnageln wollte. Dass er mit dieser Vermutung richtig lag, b e wies ihm ihre nächste Äußerung.
„Gehen wir mal einen Schritt weiter, rein hypothetisch. Wenn die
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