Pampelmusenduft (St. Elwine) (German Edition)
Douglas Walsh wurde von hinten in den Rücken getroffen. U n zählige Fragen prasselten nun auf Tyler nieder. Auf der Tatwaffe waren Fingerabdrücke von Eddy, Rodney und Tyler gesichert worden. Was auch den Aussagen des Angeklagten entsprach. Vorsätzlicher Mord konnte ihm trotz der Misshandlungen und des jahrelangen Missbrauchs nicht nachgewiesen werden. Es blieb Mord im Affekt, da Notwehr au s schied. Der Richter verkündete bereits eine Woche später das Urteil: zehn Jahre Freiheitsstrafe, abzusitzen im Maximumsicherheitsgefängnis Angola. Fassungslos nahm Tyler diese Mitteilung auf. Er fühlte sich merkwürdig distanziert, ganz so, als galt dieses Urteil einem anderen und keinesfalls ihm selbst. Sein Gehirn hatte enorme Schwierigkeiten die Fakten zu verarbeiten. Gleichzeitig hörte er jemanden über Revision r e den. Klar, spätestens dann würde sich dieser wahnsinnige Irrtum aufkl ä ren. Davon war Tyler überzeugt. Er konnte nicht wissen, dass er sich wieder einmal irrte.
Ohne dass er vorher informiert wurde, überstellte man ihn in einem Gefangenenbus in das Bundesgefängnis. Gefesselt mit Hand- und Fußfesseln, die an einer Bauchkette fixiert waren, fuhr Tyler nach Angola. Der schrecklichste Ort, an dem er je gewesen war. Ein riesiger Gebäud e komplex mit Sportplatz und Stallungen, eingebettet in endlose Felder, die scheinbar bis zum Himmel reichten. Hier roch es nach Hass, Verbi t terung und Verzweiflung. Überall finstere Gesichter, aus denen ihm leere Augen entgegen schauten. Seine Mithäftlinge waren keine Gelegenheit s gauner, sondern richtig böse Jungs. Und er war einer von ihnen. Schließlich hatte er einen Menschen getötet, auch wenn er sich nicht unmittelbar an diese Sekunde erinnern konnte. Er hatte seinen Peiniger umgebracht. Tyler horchte in sich hinein. Da war nirgends eine Spur von Bedauern. Vielleicht hatte genau dies auch der Richter begriffen und ihn deshalb verurteilt. Schon merkwürdig, sinnierte Tyler düster, wie das a l les abläuft. Seit er mit Miranda zusammen war, hatte er zu hoffen b e gonnen. Nun, er hatte keine wirklich konkrete Vorstellung von seinem Leben gehabt, aber es hatte durchaus einen vagen Traum gegeben. In dem waren jede Menge Musik und vor allem Freiheit vorgekommen. Doch dann änderte sich alles innerhalb eines einzigen Augenblicks. Ja, und Plan B war nicht zur Hand. Die Beamten stießen ihn vorwärts. Noch immer trug er Hand- und Fußfesseln. Im Vergleich zu Angola erschienen ihm die letzten vier Monate fast wie ein Kaffeekränzchen. Er hatte B ü cher und Zeitungen lesen dürfen, die Zellen waren am Tage geöffnet g e blieben. Man hatte sich im Gemeinschaftsraum getroffen. Hier fühlte er sich vom ersten Tag an, als würde ihn alles erdrücken. Tyler wurde z u sammen mit den anderen Neuankömmlingen in einen Raum gebracht. Sie erhielten orangefarbene Overalls, Unterwäsche, Socken und Schuhe, sowie Toilettenartikel. Dann sollten sie in Einzelabfertigung in den N e benraum treten. Tyler wagte es nicht, Fragen zu stellen. Man befahl ihm, sich komplett auszuziehen. Dafür befreite ihn ein Wärter endlich von den Fesseln. Er begann zögernd der Aufforderung Folge zu leisten. Zwei Wärter führten eine Leibesvisitation durch und hinter einem Wandschirm wartete jemand vom medizinischen Personal, um auch sämtliche Körperöffnungen nach unerlaubten Gegenständen oder Substanzen zu unte r suchen. Tylers Wangen brannten vor Scham, aber er ließ auch das über sich ergehen. Er fühlte sich leer, vollkommen ausgepumpt und zutiefst gedemütigt. Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, dass solche Di n ge zum Alltag der Häftlinge gehörten. Scheinbar willkürlich konnten die Aufseher alle Arten von Durchsuchungen durchführen. Im Laufe der Jahre musste er mindestens fünf bis sechs Mal solch eine Prozedur über sich ergehen la s sen. Daran gewöhnen konnte er sich jedoch nie.
Automatisch schlüpfte Tyler in die Anstaltskleidung. Anschließend ging es zum Friseur und ein paar Minuten später hatte er einen fast kahlen Schädel. Zu seinen Füßen lag sein langes, dunkles Haar. Damit verlor er auch den letzten Rest seiner früheren Identität. Seine Würde hatte er ohnehin am gr o ßen Eingangstor abgegeben.
Ein Wärter brachte ihn in seine Zelle. Ein winziger Raum ohne Tageslicht, jedoch mit einer Stahltür, die mit einem Sichtfenster aus Panzerglas versehen war. Drinnen befanden sich ein schmaler Spind, ein Bett, ein Tisch mit einem Stuhl, sowie ein Waschbecken und
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