Pampelmusenduft (St. Elwine) (German Edition)
eine offene Kloschüssel. Alles war fest an den Wänden verankert. Kein Sichtschutz vor der Toilette, kein Geruchsabzug: Tyler war entsetzt. Hier würde er es keine Woche aushalten können, geschweige denn erst zehn ganze Jahre lang. Es gab keinerlei Privatsphäre. Durch das Sichtfenster und eine winzige Kamera war er ständig den Blicken der Wärter ausgesetzt. Das also verbarg sich hinter dem Begriff Hochsicherheitstrakt. Seine Eingeweide zogen sich schmerzhaft zusammen. Mit zitternden Händen packte er die restliche Wäsche in den Spind. Zum Mittagessen ging es in die Kantine, die das Zentrum der Außenanlagen bildete. Dort wurde Häuserweise die Mahlzeiten eingenommen. Maximal hatten die Häftlinge dafür fünfun d vierzig Minuten Zeit. Tyler konnte einfach keinen Bissen hinunter bri n gen. Er nagte lediglich an einer Scheibe Brot und trank Tee.
Heute, an seinem ersten Tag, konnte er sich alles ansehen. Ab morgen war Arbeit Pflicht, acht Stunden täglich. Es gab vier Cents die Stunde für ihn. Die riesigen Außenanlagen wurden durch Zäune in verschiedene Sektionen unterteilt. Die einzelnen Sektionen waren über ein eigenes Zugangstor zu betreten. In der Zeit von 4 - 8 Uhr am Nachmittag wurden die Tore zu jeder vollen Stunde für jeweils zehn Minuten geöffnet. Während dieser Spanne konnte man zwischen den einzelnen Sektionen wä h len. Um 4 Uhr fand jeden Tag die Hauptzählung der Gefangenen statt. Danach wurden die Häuser wieder geöffnet. Über dem gesamten Gelä n de waren Lautsprecher verteilt. Um 8.30 Uhr abends erfolgte der letzte Aufruf, sich zu seinem Zellenhaus zu begeben. Anschließend wurden die Zellenhäuser geschlossen, wobei man sich dort noch bis 11 Uhr abends frei bewegen konnte. Dann fand der Zelleneinschluss statt. An den Stir n seiten der u-förmigen Hafthäuser befanden sich, auf jeder der fünf Et a gen, die Dusch- und Fernsehräume. Tyler hatte Mühe, all diese Inform a tionen, die ihm der Häftling übermittelte, aufzunehmen. Für die Freizeit standen ihnen viele Möglichkeiten offen. „Im Recreationcenter findet man alles zum Sport treiben und im Educationcenter ist das Bildung s zentrum untergebracht. Dort gibt es eine Bibliothek, Musikräume ...“ Zum ersten Mal an diesem Tag horchte Tyler auf. Der Rest der Fakten, die der Mann ihm aufzählte, ging sang- und klanglos unter.
Die Stunden an diesem ersten Abend zogen sich zäh wie Ahornsirup. Tyler ging zum Abendessen, aß allerdings nur das Obst und trank noch eine Tasse Tee. Mehr ging beim besten Willen nicht runter. Irgendetwas lag schwer und hart in seinem Magen. Es fühlte sich wie ein Ziegelstein an. Nach dem Essen sah er sich auf dem Außengelände um. Die Anzahl der Häftlinge, die ihm begegneten, erschreckte ihn. Er registrierte jedoch mehr Schwarze als Weiße. Bereits vor dem letzten Ausruf kehrte er in sein Hafthaus zurück um zu duschen. Tatsächlich war er die ganze Zeit über allein dort. Tyler zog sich wieder an und setzte sich ganz hinten in den Fernsehraum. Die anwesenden Männer beachteten ihn nicht weiter. Später schlurfte ein alter Schwarzer herein und setzte sich auf den Stuhl neben ihm. Der Mann hatte graues Haar und es fehlten ihm die meisten seiner Zähne. „Hab dich hier noch nie ges e hen“, sagte er ruhig.
„Nein, Sir.“
Bei dem Wort Sir hob der Alte die Augenbraue und grinste. „Bist ja ein wohlerzogenes Jungchen, ´n ganz feiner Pinkel, so, so. Haben wir hier nicht so oft.“ Nach einer Weile fügte er hinzu: „Heute angekommen?“
Tyler nickte.
„Kannst Archie zu mir sagen. Alle nennen mich schließlich so.“
Tyler nickte erneut.
„Bist nicht sehr gesprächig, was? Na, der erste Abend ist der Schwerste. Das gibt sich, glaub mir.“
Tyler schluckte den Kloß hinunter, der in seiner Kehle steckte.
Archie legte den Kopf schief und musterte ihn ungeniert. „Wie alt bist du, Junge?“
„Siebzehn.“
„Shit - das ist hart. Ich war dreißig als ich herkam. Das war vor einundvierzig Jahren. Verrätst du mir auch deinen Namen oder soll ich immer nur Ju n ge zu dir sagen?“
„Tyler.“
Archie rieb sich bedächtig sein schlecht rasiertes Kinn. „Am besten du hältst dich an mich, wenn du was wissen willst. Irgendwie hab ich das Gefühl, du gehörst zu keiner der angestammten Gruppierungen. Ich weiß über alles Bescheid, bin schließlich lange genug hier. Und werde auch hier drin sterben, so ist´s nun mal.“
Bei diesem Gedanken überlief es Tyler kalt.
„Ist besser, wenn man´s
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