Pampelmusenduft (St. Elwine) (German Edition)
drinnen.
„O´Brian und er blutet wie verrückt.“
„Was?“ Sie kam bereits herbei gelaufen. „Du meine Güte.“
Tyler wies zum Auto. „Es ist Ryan. Ich blute nicht. Bitte, könntest du ihm helfen?“
„Natürlich. Geh und hole ihn!“
Er führte den Jungen in das zugewiesene Sprechzimmer.
Don telefonierte kurz und rief dann: „Es hat eine Sturmwarnung gegeben. Ich muss noch mal los.“
Während Charlotte ihm zunickte, richtete sie bereits den Lichtstrahl der Lampe auf ihr Arbeitsfeld. Ryan ließ sie keine Sekunde aus den Augen. Charly reinigte zunächst behutsam die Wunde, doch der Neunjähr i ge zuckte unwillkürlich zurück. Sie konnte jetzt das Ausmaß seiner Verletzung erkennen. Die Oberlippe wies einen horizontalen Riss auf, der sie nahezu bis zur Hälfte in zwei Abschnitte teilte. Die Öffnung war so tief, dass sie praktisch in das Innere des Mundes sehen konnte, auch wenn Ryan ihn geschlossen hielt. „Da hast du ja ganze Arbeit geleistet. Das muss genäht werden.“
Ryan richtete sich kerzengerade auf.
„Ich warte draußen“, sagte Tyler heißer.
„Ehrlich gesagt, wäre es mir lieber, wenn du hier bliebest“, entgegnete Cha r lotte und zog bereits eine Injektion auf.
„Tu mir das nicht an!“, bat Tyler leise.
Charly warf ihm daraufhin einen Blick zu, der so viel hieß wie, der Ju n ge braucht dich.
„Also dann“, gab sich Tyler schließlich geschlagen.
„Das wird jetzt etwas wehtun, aber es ist die letzte Gemeinheit heute von mir, Ehrenwort.“ Charlotte legte sich eine Hand aufs Herz und lächelte Ryan an. „Halt ihn fest!“, bat sie leise an Tyler gewandt.
„Herrgott, wirklich ... ich ...“
„Mach jetzt!“
Widerstrebend gehorchte er, während Ryan zu brüllen begann.
„Schätzchen, nur noch einen Piekser, ist gleich vorbei.“
Ryan schniefte und Tränen kullerten über sein Gesicht. Tyler spürte ein flaues Gefühl im Magen. Charlotte gab dem Anästhetikum ausreichend Zeit zu wirken und gleichzeitig achtete sie darauf, dass ihr Patient sich wieder beruhigte. In dieser Zeit legte sie sich ihr Instrumentarium zurecht. Tyler wischte Ryan unbeholfen die Tränen ab und sah dabei so aus, als würde er jeden Moment selbst losheulen. Sie konnte ihn nur zu gut verstehen.
Mit sechs Stichen versorgte sie die Wunde. „So, jetzt steht eurem netten Wochenende nichts mehr im Weg. Du warst tapfer, Großer. Ich bin stolz auf dich.“ Sie machte dem Jungen das kostbarste Geschenk überhaupt: sie gab ihm ein Küsschen auf die Wange. Ryan sah sie zunächst überrascht an, dann färbten sich seine Ohren rot. Tyler schmunzelte, schaute allerdings sofort wieder ernst, als der Junge ihn selig a n grinste und dabei fast unmerklich den Daumen hob. Bei dieser Geste musste auch Cha r lotte lachen.
„Du kannst dich glücklich schätzen“, meinte Tyler anerkennend und klopfte Ryan auf die Schulter.
„Das klingt ja fast, als wärst du ein bisschen neidisch. Ach was soll´s, ich bin heute in Geberlaune. Du kriegst auch ein Bussi.“ Schon stellte sie sich auf Zehenspitzen und berührte mit ihren Lippen Tylers Wange. Gerade als er zu sprechen ansetzen wollte, kam sie ihm zuvor. „Halt am b e sten einfach den Mund!“
Er tat es und atmete stattdessen ihren Pampelmusenduft ein, der ihn langsam wahnsinnig machte.
„Morgen will ich mir das noch mal ansehen. Da ich sowieso vormittags bei den Tanners sein werde, schaue ich rasch bei euch vorbei“, e r klärte Charlotte. „Ach noch etwas, schön kühlen! Sonst denken die Leute noch, O´Brians größter Fan hat sich Botox spritzen lassen.“ Sie grinste frech.
Es regnete unaufhörlich und ein starker Wind flaute auf. Auf dem Meer schoben sich große Wellen zusammen oder brachen sich am Ufer. Charlotte erschien nach dem Mittagessen und inspizierte ihren Patienten. Der war guter Dinge, auch wenn er einen kleinen Entenschnabel im Gesicht trug. Um sich von der schönsten Frau der Welt herzen zu lassen, unterbrach Ryan sogar kurz sein Spiel mit der Play - Station. Auf ihre Frage hin, was denn nun eigentlich passiert war, berichtete Ryan ihr, dass er die schwere Abdeckplatte des Aquariums angehoben hatte, um die Fische füttern zu können. Die Platte entglitt ihm irgendwie, schlug auf seinen Hinterkopf und dabei war er mit dem Mund auf den Rand des Wasserbeckens geknallt. Das Aquarium war daraufhin umgekippt und zu Bruch gegangen.
„Klingt haarsträubend. Wo ist Tyler?“, wollte Charlotte wissen.
„In der Scheune, eins der Pferde
Weitere Kostenlose Bücher