Pampelmusenduft (St. Elwine) (German Edition)
Augen taten es nicht.
18. Kapitel
Erst sieben Uhr morgens stellte Tyler mit einem Blick auf seine Armbanduhr fest. Er sah wenig Sinn darin, noch länger im Bett zu bleiben, zumal er ohnehin schlecht geschlafen hatte. Die Albträume hatten ihn wieder gnadenlos attackiert. Da war es viel besser, sich jetzt um seine Ranch zu kümmern. Hier gab es schließlich immer etwas zu tun. Nichts konnte einen Mann besser ablenken als sinnvolle Arbeit. Na gut - zug e gebenermaßen konnte guter Sex das auch. Leider sah er da momentan für sich nicht gerade viele Chancen. Was soll´s!
Er öffnete das schwere Scheunentor und hielt mitten in der Bewegung inne. Sein Blick wurde von der grandiosen Aussicht auf das Meer gefesselt. Völlig unter diesem Eindruck stehend, verharrte er sekundenlang. Niemals würde er dieses Stück Land als selbstverständlich hinnehmen. Er ging das kurze Stück hinunter, barfuß und lediglich mit Boxershorts bekleidet. Kleine, weiße Schaumkronen tanzten auf der Wasseroberfl ä che, Möwen kreischten. In der Ferne, fast nur noch als Punkt sichtbar, konnte er ein Fischerboot ausmachen. Er streifte die Shorts ab und w a tete ins Meer. Trotz des heißen Sommers war das Wasser angenehm kühl. Endlich fielen die letzten Spuren der Angst, die ihn in den Träumen der vergangenen Nacht heimgesucht hatten, von ihm ab.
Am Mittag des gestrigen Tages, nachdem er den Jungen abgeliefert hatte, hatte sich bereits eine tiefe Niedergeschlagenheit über ihn gelegt. Es war, als wenn seine Seele in einer Art überdimensionaler Schraubzwinge steckte. Rebecca Mullen, die Sozialarbeiterin, hatte ihn schon im Vorfeld darüber informiert, dass die Heimleitung darauf bestand, für drei Tage keinen Kontakt zu Ryan aufzunehmen. Nur dann würde der Junge seine eigenen Möglichkeiten aktivieren, um sich in sein neues Umfeld einzuleben. Tyler hatte da jedoch so seine Zweifel. Falls diese Leute aber tatsächlich recht haben sollten, wollte er keinesfalls der besseren Lösung im Weg stehen. Rebecca hatte es verstanden, ihre Worte logisch ersche i nen zu lassen. Für Ty war die Sache nicht so einfach, wie es sich aus i h rem Mund zunächst angehört hatte. Mutete die Forderung einer dreitäg i gen Funkstille nicht geradezu herzlos an? Erst recht, während einer schweren Eingewöhnungsphase. Ihm war nur allzu bewusst, wie Ryan sich dabei fühlen musste. Tyler war jedoch aus seinen Grübeleien geri s sen worden, als Janet Carter am frühen Nachmittag aufgetaucht war. Sie hatte ihm die Katzen gebracht, bereits einen Tag früher als ursprünglich vereinbart, da ihre Familie einen Wochenendausflug plane, wie sie e r klärt hatte. Tyler hatte ihr sofort 50 Dollar in die Hand gedrückt und sich bedankt. Anfangs hatte sie das Geld ablehnen wollen, doch schließlich hatte er sie gebeten es anzunehmen. Er wollte keine Gefälligkeiten von den Leuten hier. Oder lag es einfach nur daran, dass er mit der Annahme von Geschenken nicht gut umgehen konnte? Er steckte voller Misstra u en. Das war ihm bewusst, ebenso wie die Tatsache, dass er daran nichts ändern konnte.
Als Janet gegangen war, hatte er das weiche Fell der Tiere gestreichelt, sie hoch genommen und schließlich im Stroh einer der Boxen wi e der abgesetzt. Er hatte rasch in die Stadt fahren müssen, um Näpfe und Katzenfutter zu besorgen. Am späten Nachmittag hatten die Katzen b e reits träge in der Sonne gelegen und es sich gut gehen lassen. Offenbar kannten sie keine Eingewö h nungsprobleme.
Tyler hatte daraufhin die Stelle betreten, an der noch vor einer Woche das alte Wohnhaus gestanden hatte. Es war zunächst entkernt und dann abgetragen worden. Längst war auch der Schutt beseitigt. In Ty hatte sich Zufriedenheit über das Vorankommen von Tanners Leuten breit gemacht. Joshs Pläne waren so gut und transparent ausgearbeitet worden, dass sogar ein Laie, wie er, sie begriff. Er hatte sich sein zukünftiges Anwesen sehr gut bildlich vorstellen können. Erst recht, da die meisten seiner eigenen Vorschläge Berücksichtigung gefunden hatten. Noch immer berührte ihn so etwas emotional sehr tief. Es hatte schließlich mal eine Zeit in seinem Leben gegeben, da waren seine Wünsche und Ansichten völlig wertlos gewesen. Man hatte ihn zu einem Nichts degradiert, das seine einzige Daseinsberechtigung auf der Welt, im Gehorchen zu sehen hatte. Doch mit dem Durchbruch als Rocksänger hatte sich das schlagartig geändert. Er wäre beinahe von einem Extrem ins andere g e fallen, wenn
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