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Pamuk, Orhan

Pamuk, Orhan

Titel: Pamuk, Orhan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rot ist mein Name
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geraten, mußten einige Verwandte,
unsere Brüder, als Geisel hinterlassen und kamen nur frei, um das Lösegeld
aufzubringen. Doch bei unserer Heimkehr nach Istanbul fanden wir eine große
Teuerung vor, so daß wir kein Lösegeld für unsere Brüder sammeln konnten, die
bei den Ungläubigen in Geiselhaft sind. Wir bedürfen deiner Hilfe, gewähre uns
bitte Gold oder Sklaven, damit wir zurückgehen und unsere gefangenen Brüder
auslösen können.« Siehe da, ganz offensichtlich sind die Zehennägel des faulen
Hundes, der von seinem Winkel her mit einem offenen Auge unseren Sultan, unsere
armen Veteranen und die Gesandten der Perser und Tataren auf dem Hippodrom
mustert, mit demselben Stift, also von Storchs Hand, gezeichnet worden, wie die
Nägel jenes Hundes, der auf dem für das Buch des Oheims bestimmten Blatt von
den Abenteuern der Münze eine ganze Ecke füllt.
    3. Unter den
Gauklern, die vor unserem Padischah Purzelbäume schlugen und auf Brettern Eier
rollen ließen, war ein Kahlkopf mit purpurfarbener Weste und nackten Waden, der
am Rand auf einem roten Teppich hockte und das Tamburin schlug, und seine
Finger hielten das Instrument auf genau die gleiche Art, wie die Frau auf dem
roten Bild für das Buch des Oheims eine Messingplatte hielt (Olive).
    4. Während die
Gilde der Köche vor dem Sultan paradierte, wurde ein Karren mit einem Herd und
einem riesigen Kessel darauf vorbeigeschoben, in dem Heisch- und
zwiebelgefüllte Kohlrouladen schmorten, und die blauen Steine des rosaroten
Erdbodens, den der
    Karren und die Füße der
Küchenmeister berührten, wurden von derselben Hand gefertigt wie die roten
Steine der dunkelblauen Erde, die jenes gespenstische Etwas auf dem Bild, das
der Oheim als Tod bezeichnete, mit seinen Füßen nicht berührte (Schmetterling).
    5. Als die tatarischen Reiterboten
meldeten, die Heere des Perserschahs, der unseren Padischah, den Schirmherrn
der Welt, seiner unverbrüchlichen Freundschaft und seiner ausschließlich brüderlichen
Gefühle versichert hatte, seien im Aufbruch zu einem neuen Feldzug gegen die
Osmanen, da wurde der pompöse Kiosk des persischen Gesandten augenblicklich
eingerissen und dem Erdboden gleichgemacht, und während dieses zerstörerischen
Wutausbruchs liefen die Wasserträger über das Hippodrom, damit sich der aufsteigende
Staub legte, und Männer mit Ledersäcken eilten herbei, um die wütende Menge,
die sich auf den Gesandten stürzen wollte, zur Beruhigung mit Leinöl zu
übergießen. Die im Laufen angehobenen Füße der Wasserträger und der Männer mit
den Ledersäcken voller Leinöl auf dem Rücken waren von derselben Hand gemalt
worden wie jene der angreifenden Soldaten auf dem Bild der Farbe Rot
(Schmetterling).
    Nicht ich machte diese letzte
Entdeckung, während meine Vergrößerungslinse nach rechts und nach links, erst
über dieses, dann über jenes Bild glitt und ich die ganze Inspektion leitete,
sondern Kara, der aus Furcht vor der Folter und in hoffnungsvoller Sehnsucht
nach seinem Eheweib daheim die Augen weit offenhielt. Es kostete uns den ganzen
Nachmittag, mit der Hofdamen-Methode von den neun Bildseiten des seligen Oheims
und unseren daran beteiligten Illustratoren eine Aufstellung zu machen und
unser Wissen zu deuten.
    Karas seliger Oheim hatte keine
Seite dem Talent und dem Pinsel eines einzigen Malers überlassen, alle drei
meiner Buchmalermeister waren an den meisten Bildern beteiligt gewesen. Was
bewies, daß man die Bilder von Haus zu Haus getragen hatte und dieses Hin und
Her sehr häufig gewesen sein mußte. Als ich außer den mir bekannten
Malkünstlern noch eine fünfte Hand wahrnahm, die auf laienhafte Weise etwas
beigetragen hatte, wurde ich zornig und überlegte, wie unfähig der
Mörderschurke gewesen war, doch Kara erkannte an den vorsichtigen
Pinselstrichen seinen Oheim, und das bewahrte uns davor, einer falschen Spur
nachzugehen. Ließ man den armen Fein Efendi beiseite, der die Vergoldungen – natürlich brach es mir das Herz! – für das Buch des Oheims nahezu übereinstimmend
mit denen für unser Buch der Feste ausgeführt und auch, wie ich annahm,
mit seinem Pinsel hie und da die Wände, Blätter und Wolken betupft hatte, so
ergab sich mit Sicherheit, daß nur die drei hervorragendsten Meister meiner
Buchmalerabteilung an diesen Bildern beteiligt waren. Und dies waren meine
Kinder, die ich voller Zuneigung seit der Lehrzeit großgezogen hatte, meine begabten
Lieblinge Zeytin, Kelebek und Leylek – Olive,

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