Pamuk, Orhan
Propheten
Mohammed nach Takt und Melodie gesungen? Gab es das, aufs Minarett zu steigen
und sich hochnäsig aufgeblasen etwas auf seine ach so schöne Stimme und sein
ach so arabisches Arabisch einzubilden und wie ein Jüngling im Weiberrock mit
tänzelnd koketter Stimme melodisch zum Gebet zu rufen? Sie laufen zum Friedhof,
flehen die Toten an und erhoffen sich Beistand von ihnen, sie laufen zu den
Türben und beten wie Götzendiener den Stein an, hängen Fetzen auf, geloben dies
und das. Gab es Sektenanhänger zur Zeit des Propheten Mohammed, die solche
klugen Lehren erteilten? Ibn Arabi, der weise Lehrer der Sektenbrüder, hat sich
versündigt, als er schwor, der Pharao sei gläubig gestorben. Mewlewi, Halweti,
Kalenderi, all diese Sektierer, die Instrumente schlagend den Koran lesen,
jene, die sich verzückt im Tanze wiegen und drehen und meinen, so beten wir
gemeinsam mit den Knaben, sie alle sind Ungläubige. Niederreißen muß man ihre
Stätten, sieben Ellen tief die Fundamente ausgraben und die Erde, die zutage
kommt, ins Meer schütten, so daß man danach an solchem Ort das Gebet verrichten
kann.
Dann sei dieser Husret Hodscha noch
zügelloser geworden und habe sabbernd und speichelsprühend verkündet: Kaffee zu
trinken ist Sünde, o ihr Gläubigen! Unser Prophet und Heiliger hat gewußt, daß
Kaffee den Verstand benebelt, den Magen durchlöchert, Kreuzweh hervorbringt
und unfruchtbar macht, er hat verstanden, daß der Teufel damit sein Spiel
treibt, und sich deshalb des Kaffees enthalten. Außerdem sind heutzutage die
Kaffeehäuser nur Plätze für Genießer, für die vergnügungssüchtigen Reichen, die
Knie an Knie zusammenhocken und Sittenlosigkeiten jeder Art begehen, und
überhaupt müßte man die Kaffeehäuser noch vor den Sektenhäusern schließen. Hat
der arme Mann wohl Geld, um Kaffee zu trinken? Sie gehen ins Kaffeehaus, der
Kaffee steigt ihnen zu Kopf, und sie lassen sich so weit gehen, daß sie zuhören
und alles für wahr halten, was ihnen irgendein gemeiner Hund vorschwatzt; ein
Hund ist das, seht, er beschimpft mich und unseren Glauben! – so des Husret
Hodscha Rede.
Mit eurer Erlaubnis möchte ich auf
die letzten Worte dieses Herrn Predigers eine Antwort geben. Ihr wißt
natürlich, daß die ganze Schar der Pilger, Hodschas, Prediger und Imams nicht
das geringste für uns Hunde übrig hat. Wenn's nach mir geht, hängt die Sache
damit zusammen, daß der Prophet Mohammed ein Stück von seinem Rock
abgeschnitten hat, um eine Katze nicht zu wecken, die auf seinem Schoß
eingeschlafen war. Man möchte also darauf verweisen, daß dieses noble
Verhalten der Katze gegenüber für uns nicht gilt, und sagen, daß der Gesandte
Gottes wegen unseres ewigen Krieges gegen dieses Geschöpf, dessen
Undankbarkeit doch dem dümmsten Menschen bekannt ist, eine Feindschaft gegen
uns Hunde hegt. Wir würden die Reinheit nach der Waschung wieder beschmutzen,
heißt es, weswegen wir von den Moscheen ferngehalten werden, und daß uns die
Diener aus deren Höfen seit Jahrhunderten mit dem Besenstiel hinausprügeln,
ist das Ergebnis dieser falschen Deutung.
Ich möchte euch an die Sure Al-Kahf,
eine der schönsten Suren des Korans, erinnern. Nicht der Unwissenden wegen, die
sich unter uns in diesem schönen Kaffeehaus befinden und des Korans unkundig
sind, sondern einfach nur, um euer Gedächtnis aufzufrischen. Diese Sure spricht
von sieben Jünglingen, die es leid waren, unter den Götzendienern zu leben. Sie
ziehen sich in eine Höhle zurück und schlafen ein. Allah versiegelt ihre Ohren,
und sie liegen dreihundert Jahre lang im Schlummer. Als sich nach ihrem
Wiedererwachen einer der sieben Jünglinge unter die Menschen mischt und eine
Münze vorweist, die schon lange nicht mehr gängig ist, erfahren sie, wie lange
sie geschlafen haben, und sind höchst erstaunt. Ich möchte euch, auch wenn es
mir kaum zusteht, daran erinnern, daß im achtzehnten Vers dieser Sure, die von
der Verbundenheit des Menschen mit Allah, von seinen Wundern, von der
Flüchtigkeit der Zeit und von der Süße eines tiefen Schlafes spricht, auch von
einem Hund die Rede ist, der am Eingang der Höhle namens Ashabi Kahf liegt, in
der die sieben Jünglinge schlafen. Natürlich, jeder kann stolz darauf sein,
wenn sein Name im Koran erwähnt wird. Als ein Hund bin ich stolz auf diese Sure
und sage meinen Feinden, dies wird hoffentlich den Erzurumern, die von
dreckigen Kötern reden, den Verstand zurechtrücken.
Worin liegt dann die
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