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Pamuk, Orhan

Pamuk, Orhan

Titel: Pamuk, Orhan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rot ist mein Name
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mich
schuldig, weil ich ihm zwölf Jahre lang Leiden verursacht hatte. Welch schöne
Worte er sagte, was für ein guter Mensch er war, dieser Kara! So rein wie ein
Kind! All dies las ich in seinen Augen. Daß seine Liebe zu mir so groß war,
stärkte mein Vertrauen.
    Wir umarmten einander. Das war so
schön, daß ich nicht einmal Schuld empfand. Ein angenehmes Gefühl, süßer als
Honig, durchfloß mich, so daß ich meiner Sinne nicht mehr Herr war. Ich umfing
ihn enger. Erlaubte ihm, mich zu küssen, und küßte ihn wieder. Während wir uns
küßten, schien die ganze Welt in ein süßes Dunkel einzugehen. Ich wünschte,
alle sollten sich so umarmen wie wir. Eine vage Erinnerung sagte mir, daß Liebe
so sein müßte. Er schob seine Zunge in meinen Mund. Ich mochte, was ich tat, so
sehr, daß ich an nichts Häßliches dachte, und das Schöne leuchtete hell, und
mit uns versank die ganze Welt darin.
    Sollte meine armselige Geschichte
eines Tages in einem Buch erzählt und von den legendenumwobenen Buchmalern aus
Herat illustriert werden, dann will ich euch sagen, wie Karas und meine
Umarmung abgebildet sein wird. Mein Vater hat mir voller Begeisterung einige
wunderschöne Blätter gezeigt: Die Schrift fließt mit demselben Entzücken dahin,
mit dem die Blätter wogen, der Schmuck der Wände und die Ornamente der Seite
sind aus dem gleichen Stoff, und der Aufruhr der Schwalben, deren Flügel den
Rahmen und die Ornamente durchdringen, gleicht dem der Liebenden. Sie werfen sich
von weitem schmachtende Blicke zu, machen einander Vorhaltungen mit
vielsagenden Worten und sind dabei auf diesen Bildern so klein gezeichnet, so
weit entfernt, daß man für einen Augenblick annimmt, nicht ihre Geschichte
werde erzählt, sondern die der Schauplätze ihrer Begegnungen, des prachtvollen
Palastes und des Hofes, die des herrlichen Gartens mit den liebevoll gemalten
Blättern, die der Nacht und der über ihnen leuchtenden Sterne und die der
dunklen Bäume. Doch wenn der aufmerksame Betrachter ganz genau auf die geheime
Ordnung der Farben in diesen Bildern achtet, die der Maler nur in gläubiger
Hingabe errei chen kann, und auf jenes geheimnisvolle Licht, das aus allen Winkeln
des Bildes hervorleuchtet, dann begreift er sogleich das Mysterium dieser
Bilder, das aus dem gleichen Stoff entstanden ist wie die Liebe, die sie
darstellen. Es ist, als ob die Liebenden auf den Bildern ein glühendes Licht
hervorbrächten. Als Kara und ich einander umarmten, da schien sich, glaubt
mir, auf gleiche Weise in der ganzen Welt etwas Schönes auszubreiten.
    Nun habe ich, Allah sei Dank, genug
Lebenserfahrung, um zu wissen, daß etwas so Schönes nie lange anhalten würde.
Zuerst nahm Kara meine üppigen Brüste liebevoll in seine Hände. Es gefiel mir
so sehr, daß ich alles vergaß und wünschte, er würde ihre Spitzen in den Mund
nehmen. Er schaffte es nicht ganz, weil er sich seines Tuns nicht sicher war.
Als ob er nicht wüßte, was er tat, aber doch nach mehr verlangte. So kam, als
wir uns noch enger umschlangen, Furcht und Scham zwischen uns auf. Zunächst
gefiel es mir, daß er mich an den Hüften an sich zog und sein steif werdendes
riesiges Ding gegen meinen Bauch drückte; ich war neugierig, schämte mich; wenn
man sich so fest umschlingt, dann wird es so fest, sagte ich stolz zu mir
selbst. Als er es dann hervorholte, drehte ich den Kopf zur Seite, konnte aber
beim Anblick der Größe des Gliedes meine größer werdenden Augen nicht abwenden.
    Als er mich viel später zu
Unanständigkeiten zwingen wollte, die nicht einmal die Kiptschak-Weiber oder
die zotenerzählenden Frauenzimmer im Hamam tun würden, erstarrte ich verwirrt
und unentschlossen.
    »Blick mich nicht so finster an,
mein Leben«, flehte er.
    Ich stand auf, stieß ihn von mir und
begann zu schreien, und es war mir gleichgültig, ob er nun traurig sein würde
oder nicht.

27
  Mein Name ist Kara
    Nach Şeküres Meinung, die mich mit finster
drohenden Brauen in dem düsteren Haus des gehenkten Juden schalt, konnte ich
den großen Dicken in meiner Hand wohl den Tscherkessenmädchen in Tiflis, den
Kiptschak-Huren, den armen Bräuten, die man in den Karawansereien feilbot, den
turkmenischen und persischen Witwen, den gewöhnlichen Nutten, die immer mehr
wurden in Istanbul, den sittenlosen Mingrelierinnen, den alten albanischen und
armenischen Kokotten, den genuesischen und syrischen Hexen, den zweiseitigen
Transvestiten Tänzern oder den nimmersatten Lustknaben in den Mund

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