Pandaemonia 01 - Der letzte Traumwanderer
wird.«
»Du bist doch von der Geheimpolizei?«
Sie verpasste ihm einen Stoß mit dem Ellbogen. »Mach keine Witze. Ich meine es ernst.«
»Nur zu. So schlimm wird es schon nicht werden.«
Ihr Blick sagte etwas anderes. »Als du neulich bei meinem Vater gewesen bist, habe ich euch heimlich zugehört.«
»Wann? Während wir im Keller waren?«
»Ja.«
»Aber dein Vater hat gesagt, dort wäre es sicher.«
»An meinem Zimmer führt einer der Lichtschächte vorbei. Ich habe vor Jahren ein Loch in die Wand gemacht. Mein Vater weiß nichts davon.«
»Und durch das Loch hast du uns belauscht?«
Sie nickte.
»Das ist … nicht gut«, sagte er überrumpelt.
»Du bist jetzt sauer, oder?«, fragte sie.
Liam war sicher, dass, hätte ihm jemand anderes dieses Geständnis gemacht, er nicht nur ärgerlich, sondern fuchsteufelswild geworden wäre. Auf Vivana jedoch konnte er nicht wütend sein. Nicht nach allem, was heute Abend passiert war. »Hast du jemandem davon erzählt?«
»Nein … das heißt, doch. Tante Livia. Aber dich habe ich nicht erwähnt. Ich habe sie nur gefragt, was es mit diesem Gelben Buch auf sich hat, von dem ihr geredet habt.«
»Mehr hast du ihr nicht gesagt?«
»Wirklich nicht. Hör zu, Liam, es tut mir leid. Ich hätte das nicht tun sollen. Aber da war dieser Streit mit meinem Vater. Außerdem habe ich seine ewige Heimlichtuerei nicht mehr ertragen.« Sie schwieg unglücklich.
Plötzlich konnte Liam nicht anders, als leise zu kichern.
»Warum lachst du denn?«
»Ich muss mir nur gerade deinen Vater vorstellen. Er würde toben, wenn er das wüsste.«
»Allerdings«, murmelte sie. »Vor allem, wenn er herausbekäme, was ich noch alles belauscht habe.«
»Das war nicht das erste Mal?«
»Natürlich nicht. Ich weiß so ziemlich alles, was er seit Jahren vor mir zu verbergen versucht.«
Liam vermutete, dass sie damit die Verschwörung meinte, in die ihr Vater verwickelt gewesen war. Ja, Quindal würde toben. »Und der arme Kerl ahnt nicht das Geringste. Man könnte fast Mitleid mit ihm haben.«
»Heißt das, du bist nicht wütend?«
»Würde das etwas ändern?«
Er konnte hören, wie sie aufatmete. »Danke«, sagte sie leise. »Ich habe schon befürchtet, du würdest davonlaufen und mich nie wieder sehen wollen, wenn ich dir das erzähle.«
»Warum hast du es mir dann erzählt?«
»Weil … Ach, einfach so. Weil es nicht richtig ist, jemanden zu hintergehen.«
Sie wich seinem Blick aus, und er konnte spüren, dass sie noch mehr sagen wollte, viel mehr. Aber dann war der Moment vorüber, und in der Stille, die folgte, hörte er nichts als das Klopfen seines Herzens.
»Los, sag etwas«, forderte sie ihn auf, als sie das Schweigen nicht mehr ertrug.
Liam musste zuerst seine Gedanken sortieren. Die Heftigkeit, mit der er sich plötzlich zu ihr hingezogen fühlte, verwirrte ihn zutiefst. »Die Dinge, die dein Vater und ich beredet haben«, begann er schließlich, »was davon hast du gehört?«
»Alles«, antwortete sie. »Ich weiß, dass du kein Gärtner bist. Das ist nur deine Tarnung. In Wahrheit suchst du ein Buch. Das Gelbe Buch von Yaro D’ar. Lady Sarka bewahrt es in ihren Gemächern auf, aber wegen der Spiegelmänner kommst du nicht hinein.«
»Weißt du auch, warum ich das Buch suche?«
Sie schüttelte den Kopf.
Liam beschloss, ihr den Rest seiner Geschichte zu erzählen. Während der letzten Minuten war ihm klar geworden, dass Vivana der einzige Mensch war, dem er wirklich vertraute, so merkwürdig ihm das auch erschien. »Mein Vater war Blitzhändler in Scotia. Wir wohnten in der Sternwarte auf dem Hügel am Fluss. Er hat Lady Sarka gehasst und wollte dafür kämpfen, dass Bradost wieder eine Republik wird, so wie früher. Dafür wollte er den Phönix zurückholen.«
»Den Phönix? Wie wollte er das machen?«
»Ich weiß es nicht. Er hat Nachforschungen angestellt. Welche, kann ich dir nicht sagen; er war sehr verschlossen. Eines Tages ist er auf das Gelbe Buch von Yaro D’ar gestoßen, doch bevor er es finden konnte, ist ihm Corvas auf die Schliche gekommen. Die Spiegelmänner wollten ihn verhaften, und als er sich wehrte, haben sie ihn getötet.«
»Aber du konntest fliehen«, sagte Vivana.
Liam nickte. »Kurz vorher hat er mich gebeten, das Buch aufzuspüren. Es gibt nur ein Exemplar - es ist im Palast versteckt. Er wollte, dass ich deinen Vater um Hilfe bitte, also bin ich zur Werkstatt gegangen und habe mit ihm geredet. Zuerst wollte dein Vater von der ganzen
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